Nur zwei Spiele standen am Dienstag auf dem Programm und angesichts des EM-Marathons der letzten Tage war dies keine so schlechte Nachricht. Es gab nicht wenige Fußballfans, für die das frühe Abendspiel in Dortmund zwischen der Türkei und Georgien ein ‘Streichspiel’ war, das man sich ohne schlechtes Gewissen schenken könnte.
Klar, das Dortmunder Westfalenstadion würde fest in türkischer Hand und die Stimmung bestimmt famos sein, aber fußballerisch war da von den bei der WM so enttäuschenden Türken und Neuling Georgien nicht viel zu erwarten. Doch wer das Spiel deshalb schwänzte, wird sich anschließend aber mal so richtig geärgert haben. Denn das vermeintlich unattraktive Match avancierte zum Highlight des bisherigen Turniers.
Vollgasfußball und türkische Traumtore
Von Beginn an gab es Vollgasfußball von beiden Seiten. Wenn man ein Musterbeispiel für Intensität im Fußball sucht, so kann dieses Spiel zweifelsfrei herangezogen werden. Erstaunlich dabei, dass beide Teams dieses irre Tempo nicht nur wilde zwanzig Minuten auf den nassen Rasen brachten, sondern tatsächlich über die gesamte Spielzeit. Es war extrem laut im Westfalenstadion und als Mert Müldür die Türkei in der 26. Minute mit einem Traumtor in Führung brachte, erbebte die Südtribüne. Nur wenige Momente später fiel der zweite türkische Treffer, doch aufgrund einer minimalen Abseitsstellung wurde das Tor einkassiert.
Und dann wirbelte plötzlich Georgien. Der Ausgleich von Mikautadze (32.) holte die Türken wieder zurück auf den Boden und weiter ging es mit dem furiosen Schlagabtausch. Die Fans aus beiden Lagern machten unglaublichen Rabatz, die Spieler gönnten sich keine Atempause. Für den neutralen Zuschauer war das Spektakel ein Genuss, bei dem beide Mannschaften einen Sieg verdient gehabt hätten. Doch dass am Ende die Türkei jubeln durfte, lag am zweiten Traumtor des Nachmittags. Nachwuchsstar Arda Güler zwirbelte den Ball in der 66. Minute formvollendet zum 2:1 in den Winkel.
Georgien hätte den Ausgleich verdient gehabt
Georgien steckte nicht auf, der rasante Ritt fand seine Fortsetzung. Einem Pfostentreffer der Türken in der Anfangsphase standen in der zweiten Halbzeit zwei Aluminiumtreffer der Georgier gegenüber - einer davon tief in der Nachspielzeit. Die Eurasier hatten den Ausgleich mehr als verdient, doch sie belohnten sich nicht. Stattdessen erzielte die Türkei in der siebten Minute der Nachspielzeit nach einer abgewehrten Ecke, als Georgiens Torwart mit nach vorne gegangen war, durch Aktürkoglu den 3:1 Endstand - er konnte den Ball unbedrängt ins leere Tor schießen.
Ein Kompliment und Dank an beide Mannschaften für ein wirklich atemberaubendes EM-Spiel. Deutlich übersichtlicher ging es am Abend in Leipzig zu, wo sich Portugal und Tschechien gegenüberstanden. Die Südeuropäer sorgten dabei für echte Retro-Gefühle - mit Cristiano Ronaldo (39) und Pepe (41) standen zwei Altmeister in der Startelf. Und so richtig in die Pötte kamen die Portugiesen gegen fleißige, aber zunächst recht biedere Tschechen nicht. Die optische Überlegenheit konnte Portugal nicht nutzen, weil im letzten Drittel die Zielstrebigkeit fehlte.
Portugal mit Last-Minute-Sieg
Schwung nahm die Partie erst auf, nachdem Tschechien in der 62. Minute überraschend in Führung gegangen war. Provod zielte von außerhalb des Strafraums passgenau ins linke Eck. Erneut also ein Distanzschuss, der zum Erfolg geführt hat - dies hat man in den ersten EM-Spielen auffällig oft gesehen. Der Ausgleich der Portugiesen in der 69. Minute fiel dann jedoch aus ganz kurzer Distanz - Torwart Stanek wehrte eine Hereingabe in den Fünfmeterraum gegen das Bein seines Mitspielers Hranáč ab, von wo aus der Ball ins eigene Tor flipperte.
Das Spiel war in der letzten halben Stunde dann doch recht ansehnlich und hatte auch noch Spektakel zu bieten. Der vermeintliche Siegtreffer für Portugal (87.) wurde aufgrund einer Abseitsstellung von Ronaldo aberkannt, aber in der zweiten Minute der Nachspielzeit stocherte der eingewechselte Francisco Conceição den Ball zum letztlich verdienten Sieg für Portugal ins Tor. Somit brachte auch dieses Spiel - wie nahezu alle im bisherigen Turnier - mehr als ordentliche Unterhaltung. So kann es weitergehen.
von Marc Basten