Das Modell Red Bull Leipzig ist in den vergangenen Wochen und Monaten von vielen Seiten heftig kritisiert worden. Dies hat sicherlich in vielen Punkten auch seine Berechtigung. Dennoch ist das, was Leipzig da in den ersten sieben Bundesligaspielen auf den Platz bringt, sehr bemerkenswert.
Natürlich ist RB kein ›normaler‹ Aufsteiger der Kategorie Darmstadt oder Fürth. Es sind Gelder vorhanden, von denen die meisten etablierten Bundesligisten nur träumen können. Allerdings ist Geld nicht gleichbedeutend mit sportlichem Erfolg, wie der Konzernfinanzierte V(W)fl Wolfsburg seit Monaten erlebt oder der von einem suspekten Gönner unterhaltene Hamburger SV nun schon seit Jahren.
RB Leipzig hat das Geld vorausschauend und intelligent investiert, so viel steht fest. Es wurden keine satten Stars gekauft, sondern junge und entwicklungsfähige Spieler, die von einigen ambitionierten Profis im besten Alter geführt werden. Die Qualität des Kaders veranlasste Gladbachs Sportdirektor Max Eberl schon kurz nach Saisonbeginn zu der Aussage, dass mit RB bereits in dieser Saison zu rechnen sei, wenn es um die internationalen Plätze geht.
Bislang scheint Eberl richtig zu liegen. Leipzig hinterlässt in der Liga nachhaltig Eindruck. Dazu trägt auch Trainer Ralph Hasenhüttl bei. Der Österreicher hat seinen in Ingolstadt geprägten Stil des aggressiven Fußballs mit nach Leipzig genommen. Er lässt RB nicht ganz so radikal pressen, wie seinen Ex-Club, doch die grundsätzliche Herangehensweise ist identisch. Erschwerend - für den Rest der Liga - kommt hinzu, dass Hasenhüttl nun über Spieler verfügt, die eine viel höhere individuelle Qualität haben, als die aus Ingolstadt.
So kann Hasenhüttl variabler spielen lassen. Das macht seine Mannschaft richtig gut, was es unabhängig der besonderen Umstände beim Brause-Club fair anzuerkennen gilt.
Allerdings hat Hasenhüttl ein Stilmittel mit in den Osten genommen, das Ingolstadt bereits auf grenzwertige Art und Weise ausgereizt hat: Viele kleine, taktische Fouls.
RB ›jagt‹ den Gegner mit riesigem läuferischen Aufwand und will permanent Bälle erobern. Wenn das nicht gelingt, soll zumindest das gegnerische Kombinationsspiel soweit gestört werden, dass es nicht reibungslos läuft. Dabei machen die Leipziger - wie letztes Jahr Ingolstadt - auch in aussichtslosen Zweikämpfen den halben Schritt mehr, der oftmals zu einem Foul führt. Das ist dann eines der Kategorie ›Allerweltsfoul‹ irgendwo im Mittelfeld. Ein kurzer Pfiff des Schiedsrichters, weiter gehts.
Ein Zahlenbeispiel: Gegen RB wurden am Sonntag beim Auswärtssieg in Wolfsburg 19 Fouls gepfiffen. Ein Spieler wurde dabei verwarnt. Der HSV beging einen Tag zuvor in Gladbach zwei Foulspiele mehr. Vier Gelbe Karten und eine Rote sind bei den Hamburgern verbucht, wobei Rambo Adler sogar ungeschoren davon gekommen ist.
Leipzig nutzt, wie vorige Saison Ingolstadt, permanent die Grauzone des ›harmlosen‹ Foulspiels aus. Man nervt den Gegner, tut ihm nicht richtig weh und der Schiedsrichter sieht auch meist keinen Grund für persönliche Strafen. Gleichwohl wird der Spielfluss des Gegners so entscheidend gestört, dass ein Gegenangriff im Ansatz unterbrochen wird.
In den letzten Wochen wurde in der Bundesliga eifrig diskutiert, dass teilweise zu hart gespielt wird. Das ist Blödsinn, denn die brutalen Fouls bilden - auch gegen Dortmund - nach wie vor die Ausnahme. Viel mehr sollte hinterfragt werden, ob die ständigen ›Stocherfouls‹ wie von RB oder zuletzt auch Leverkusen oder Freiburg, nicht von den Schiedsrichtern viel energischer unterbunden werden müssten.
Natürlich kann ein Spieler immer mal eine Fußspitze zu spät kommen. Das ist Pech, keine böse Absicht und auch kein hartes Foul. Wenn eine Mannschaft allerdings permanent auf der Rasierklinge tanzt und eine Vielzahl solch kleiner Fouls begeht, steckt da System hinter. Und das ist bei RB Leipzig offensichtlich.
Ingolstadt hat damit angefangen, Leipzig setzt es fort, andere ziehen nach: Das taktische Foul ist zum System geworden. Hier gilt es für die Schiedsrichter anzusetzen. Die Vorgabe, taktische Fouls stärker zu bestrafen, wurde vor der Saison aus Schiedsrichterkreisen nochmals bekräftigt. Bei der Beurteilung, wann ein taktisches Foul vorliegt, muss zwingend mit einfließen, wie systematisch eine Mannschaft dies während eines Spiels praktiziert. Persönliche Strafen müssen dann auch bei glimpflichen Fouls konsequent ausgesprochen werden, um das letztlich unfaire Spiel zu unterbinden.
Klargestellt sei an dieser Stelle, dass der Erfolg von RB Leipzig nicht allein auf diesem ›Störfaktor-Modus‹ beruht. Das Team von Hasenhüttl macht es davon abgesehen richtig gut und verdient - rein sportlich gesehen - neidlose Anerkennung.