Am Ende kannte der Jubel keine Grenzen mehr. Als Jonas Hector den achtzehnten Elfmeter versenkte - mit mehr Glück als Verstand - war es geschafft: Deutschland erreicht das Halbfinale und besiegt das ›Italien-Trauma‹.
Die stolzen Italiener schränken freilich ein: ›Die Deutschen brechen den Fluch, aber nur im Elfmeterschießen‹, schreibt die ›Gazzetta dello Sport‹. Dieser Shoot-Out war an Dramatik nicht zu überbieten und legte offen, wie selbst die coolsten Profis zu Nervenbündeln werden. Bastian Schweinsteiger, der eigentlich alles schon erlebt hat in seiner Karriere, versagten die Nerven.
Thomas Müller, der das ganze Turnier schon neben sich steht, verschoss schon fast folgerichtig. Mesut Özil traf den Pfosten, das war schlichtweg Pech. Aber auch die ›Squadra Azzura‹ bekleckerte sich nicht mit Ruhm und ließ die deutschen Vorlagen ungenutzt. Höhepunkt sicherlich die peinliche Einlage von Simone Zaza, der extra fürs Elfmeterschießen eingewechselt wurde und dann nach einem lächerlichen Anlauf mit Trippelschritten in den Nachthimmel von Bordeaux ballerte.
Deutschland rutscht ins Halbfinale
Am Ende holten neben Manuel Neuer die jungen Spieler die Kastanien aus dem Feuer. Joshua Kimmich, der in den 120 Minuten (wie schon mit Bayern gegen Juventus) viel Lehrgeld bezahlen musste, behielt die Nerven. Julian Draxler ebenso, wobei er anschließend zugab, mit »zittrigen Beinen« angelaufen zu sein.
Und dann war da natürlich Jonas Hector, dem der finale Schuss vorbehalten war. Buffon hatte den nicht sonderlich gut geschossenen Ball fast schon abgewehrt, doch das Leder rutschte unter dem Körper großen alten Mannes durch. Deutschland rutschte ins Halbfinale und während der Jubelszenen anschließend war es sogar zu verschmerzen, dass sich Pausenclown Podolski mit einem FC-Käppi verkleidete. Geschenkt.
Freilich darf das Weiterkommen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland mit mehr als nur einem Bein aus dem Turnier ausgeschieden war. Jogi Löw, jetzt von vielen Beobachtern als Taktikfuchs gefeiert, hatte sich mit der Umstellung auf die Dreierkette auf sehr dünnes Eis begeben. Das Spiel der Italiener sei, so der Bundestrainer, »super, aber auch leicht berechenbar«. Löw wollte verhindern, dass die Südeuropäer ihr Spiel über die Außen ins Zentrum aufziehen, wo einer den Ball prallen lässt und dann die Pässe in die Tiefe gespielt werden.
Gomez leitet das Führungstor überragend ein
Das ist zwar größtenteils gelungen, doch nicht nur TV-Experte Mehmet Scholl war der Meinung, dass man das »auch anders hätte lösen können«. Tatsächlich beraubte sich die DFB-Elf selbst um gewisse Möglichkeiten im Offensivspiel. So war die erste Halbzeit nur darauf ausgelegt sich wechselseitig zu egalisieren. Und doch offenbarte gerade die rechte defensive Seite der Deutschen mit Höwedes und Kimmich grenzwertige Schwächen. Da hätte der schöne Plan ganz leicht nach hinten losgehen können.
Nach der Pause war Deutschland aktiver und risikobereiter. Der Führungstreffer nach überragender Vorbereitung von Gomez verdient, der Ausgleich nach dem Blackout von Boateng großes Pech. Danach regierte auf beiden Seiten die Erkenntnis, dass ein Fehler das Aus bedeuten würde und so kam es zwangsläufig zum Elfmeterschießen.
Italien gebührt ein großes Kompliment für das disziplinierte und aufopferungsvolle Spiel. Die Laufbereitschaft der ›Squadra Azzura‹ war beeindruckend. Dass Deutschland vor lauter Respekt das System umgestellt und sich angepasst hat, sagt alles. ›Trotzdem Helden‹, schreibt die ›Gazzetta dello Sport‹. ›Herz und Organisation sind unsere Waffen. Ein unbezwingbares Italien bringt den Weltmeister ins Elfmeterschießen‹. Und sagt trotzdem ›Arrivederci‹.