Die Journalisten auf der Pressetribüne in der Schalker Arena gerieten am Freitagabend schon zur Pause regelrecht ins Schwärmen. Sie waren richtig perplex angesichts der Leistung der Knappen gegen die vermeintlich so übermächtigen Bayern.
Als neutraler Beobachter fragt man sich schon, was die Kollegen so als Maßstab ansetzen, wenn sie über einen Verein berichten, der jahrelang den zweithöchsten Personaletat der Liga weitestgehend erfolglos verpulverte und immer noch Spieler holen kann, deren Gehälter selbst besser platzierte Klubs nicht stemmen können. Sind Leidenschaft und etwas Mut in einem Heimspiel gegen Bayern tatsächlich ausreichend für teils orgastische Bewertungen?
Offensichtlich muss Schalke in den letzten Jahren ziemlich gruselig gekickt haben, wenn ein 0:2 gegen Bayern dermaßen abgefeiert wird. Sicherlich, es scheint sich in Gelsenkirchen etwas in die richtige Richtung zu bewegen. Der neue starke Mann, Christian Heidel, hat durchaus interessante Transfers getätigt. Baba, Stambouli, Bentaleb, Konoplyanka und Embolo brachten Qualität auf den Platz. Der lange verletzte Nastasic und Routinier Naldo bildeten eine robuste Innenverteidigung. Goretzka (der allerdings endlich seine fiesen Frust- bzw. Müdigkeitsfouls lassen muss) und selbst der schon abgeschriebene Huntelaar (trotz Eigensinn beim Lattenschuss) blühten auf.
Die Ansätze gegen die Bayern waren zweifellos ordentlich. Viele neue Spieler mit Qualität, ein neuer Trainer und ein neuer Sportdirektor - Schalke könnte tatsächlich das Preis-Leistungs-Verhältnis etwas ins Gleichgewicht bringen. Selbst wenn es am Freitagabend neben euphorischen Journalisten auch langjährige Kenner der Schalker Szene gab, die dem Braten nicht trauen. Zu oft hat man sich auf Schalke in den letzten Jahren ziemlich plump selbst im Weg gestanden.
Für Schalke war der Auftritt gegen Bayern vielleicht ein Hoffnungsschimmer. Dass einige Beobachter die Leistung dermaßen hoch hängten, allerdings ein Armutszeugnis. Denn Bayern war an diesem Abend lange nicht auf dem Niveau, mit dem die Münchener in den letzten Jahren die Liga beherrschten.
In diesen Tagen wird man ja förmlich erschlagen von Vergleichen zwischen den Bayern unter Guardiola und jetzt unter Ancelotti. Das ist oftmals total absurd, weil Ancelotti erst viel zu kurz im Amt ist, um der Mannschaft tatsächlich eine unverkennbare Handschrift zu vermitteln. Er baut auf dem bewährten Fußball auf und wird nach und nach seine eigenen Ideen verstärkt einbringen.
Auf Schalke konnte man allenfalls den Eindruck gewinnen, dass die Bayern etwas ›normaler‹ Fußball spielen als unter Guardiola. Was auch dran liegen könnte, dass z.B. ein Renato Sanches kaum Bindung hatte. Jedenfalls wirkten die Münchener nicht wie eine Übermannschaft, sondern wie ein Team, das man an einem guten Tag durchaus schlagen kann.
Dass es anders kam, lag weder an Ancelotti noch an Guardiola, sondern einfach an der individuellen Klasse der Bayern und den müde gewordenen Schalkern. Ein genialer Pass von Martinez, Naldo reagierte eine Sekunde zu spät und Lewandowski schloss eiskalt ab. So gewinnen Spitzenteams auch die Spiele, die sie nicht total dominiert haben.
Der Attraktivität der Liga tut es natürlich nicht gut, dass die Bayern wieder marschieren. Andererseits darf man sich gar nicht vorstellen, was auf Schalke los gewesen wäre, wenn sie gegen die Bayern gepunktet hätten. Wo ein 0:2 schon zu solchen Lobeshymnen führt.