Der Statistikdienst ›Optasports‹ wies vor dem WM-Qualifikationsspiel in Prag nach Bekanntgabe der Aufstellung auf einen interessanten Fakt hin: Erstmals seit 31 Jahren startet die DFB-Elf mit zwei Spielern von Borussia Mönchengladbach. Damals in den Tiefen der 80’er, waren es Michael Frontzeck und Uwe Rahn, die als Gladbacher die Nationalhymne hören durften (singen gehörte damals nicht dazu).
Dass es so eine lange Zeit gedauert hat, bis mit Matthias Ginter und Lars Stindl wieder zwei Borussen von Anfang an dabei sind, erklärt vor allem eins: dass Länderspiele aus Gladbacher Sicht in der Vergangenheit eher zweitrangig waren. Doch an diesem Freitag in Prag wurde plötzlich ein quälendes Quali-Länderspiel zum Pflichttermin.
Ginter machte es den Umständen entsprechend gut
Natürlich lag der Fokus auf den beiden Gladbachern. Matthias Ginter wurde von Jogi Löw in einer Dreierabwehrkette auf der linken Seite aufgeboten. Bei Ballbesitz beschränkte er sich auffällig auf den absoluten Sicherheitspass, vorne wurde er bei einer Kopfballgelegenheit vom Kollegen Kollegen Hummels am Hinterkopf getroffen. In seiner ›Kernkompetenz‹ als Verteidiger wurde er einige Male auf die Probe gestellt. Es gab kleinere Stellungsfehler, aber insgesamt machte es Ginter den Umständen entsprechend gut.
Bei der Beurteilung seiner Leistung muss berücksichtigt werden, wie ›vogelwild‹ vor der Dreierkette gearbeitet wurde. Die Tschechen überrannten das defensive Alibi-Mittelfeld der DFB-Elf nach Belieben. Eine individuell bessere Mannschaft hätte Marc-Andre ter Stegen (eigentlich standen somit drei Borussen in der Anfangself) mehr als nur einmal überwunden. Gemeinsames Verteidigen sieht jedenfalls anders aus, als von den Deutschen praktiziert.
Stindls Torschuss erinnerte an das Köln-Spiel
Lars Stindl behielt immerhin als nominelle zweite Spitze das Spiel nach hinten im Auge. Gladbachs Kapitän ließ sich immer wieder fallen und machte die Wege zurück an den eigenen Strafraum - was man nicht von jedem Mittelfeldspieler behaupten kann. Einmal allerdings war Stindls Sprint nach hinten und das Abblocken eines Schusses im eigenen Strafraum auch notwendig, denn ein eigener Ballverlust hatte den Tschechen-Konter erst ermöglicht.
Nach zwanzig Minuten hatte Stindl eine der wenigen Großchancen der Löw-Elf. Sein Schuss im Strafraum wurde vom tschechischen Keeper pariert. Die Situation erinnerte ein wenig an die beiden Torschüsse gegen Köln, als Stindl ebenfalls die Präzision fehlte. Nach dem Seitenwechsel gab er noch einen recht harmlosen Schuss aufs Tor ab, ansonsten gab es keine Abschlussaktionen für die Nummer 9.
Aktiv als Kombinationsspieler mit Schönheitsfehlern
Im Kombinationsspiel und bei der Ballzirkulation war Stindl sehr aktiv. Vor allem seine Weiterleitungen mit nur einem Kontakt bereicherten das Spiel in der ersten Halbzeit. Allerdings gab es auch Missverständnisse und auch ein paar ›unforced errors‹. So nötigte ein Stindl-Fehlpass Thomas Müller zu einem taktischen Foul, was die Gelbe Karte zur Folge hatte.
Nach 67 Minuten war für Borussias Kapitän die Partie gelaufen, er wurde durch Julian Draxler ersetzt. Wer allerdings zuvor den Eindruck hatte, von Stindl sei zu wenig gekommen, der wurde von Draxler eines Besseren belehrt. Der Ex-Schalker tauchte völlig ab und hatte nicht annähernd die Präsenz von Stindl.
Letztlich ein Dusel-Sieg für die DFB-Elf
Die DFB-Elf bekleckerte sich insgesamt nicht mit Ruhm. Vorne lief der Ball zwar ordentlich, doch bis auf den Führungstreffer durch Werner in der Anfangsphase erspielte man sich zu wenig Abschlussaktionen. Im Umkehrspiel war das Mittelfeld viel zu offen, Tschechien konterte munter drauflos. Der Ausgleich durch das Traumtor von Herthas Darida war mehr als verdient. Dass Hummels am Ende per Kopf nach einem Standard der Siegtreffer gelang, kann in der Kategorie ›Dusel‹ abgelegt werden.
Ob das Spiel in Prag für Matthias Ginter und Lars Stindl mit Blick auf den WM-Kader ein Schritt nach vorne oder eher einer zurück war, bleibt abzuwarten. Bekanntlich sind die Einschätzungen von Jogi Löw immer etwas speziell.
Loser in der deutschen Kurve
Richtig peinliche Loser gab es in der tschechischen Hauptstadt auch: Einige der deutschen ›Fans‹. Eine Handvoll störte schon vor dem Spiel die Schweigeminute, eine weitaus größere Anzahl beschimpfte Timo Werner (wohlgemerkt den Torschützen der eigenen Mannschaft) mit dem wenig originellen Hurensohn-Gesang und massenhaft wurde ›Scheiss-DFB‹ skandiert. So quasi als Höhepunkt gab es in der Schlussphase die rhythmischen ›Sieg‹-Gesänge, denen deutlich vernehmbare ›Heil‹-Rufe folgten. Bemerkenswert, dass die Spieler nach der Partie nicht in die Kurve gingen und anschließend deutliche Worte fanden.
von Marc Basten