Es war der Aufreger am vergangenen Fußballwochenende. Roger Schmidt, Trainer von Bayer Leverkusen, hatte seinen Hoffenheimer Kollegen Julian Nagelsmann angeblafft. Als ‚Spinner‘ titulierte Schmidt sein Gegenüber und rief ihm zu, er solle besser mal ‚die Schnauze halten‘.
Der Vierte Offizielle stand dazwischen, meldete das seinem Chef und Schmidt wurde auf die Tribüne verbannt. Und da Leverkusens Coach aufgrund der Vorkommnisse aus dem Vorjahr ‚auf Bewährung‘ war, wurde er nun für diese neuerlichen Entgleisungen zwei Spiele gesperrt.
Damit sollte die Sache eigentlich erledigt sein. Für Nagelsmann war es das schon direkt nach dem Spiel. Der jüngste Trainer der Bundesliga konnte die Gefühlswallung des frustrierten Kollegen nachvollziehen und reagierte mit einem souveränen ‚Schwamm drüber‘.
Doch für die Öffentlichkeit ging der Spaß jetzt erst richtig los. Roger Schmidt ist nicht unbedingt ein Sympathieträger – weder beim breiten Publikum noch bei den meisten Journalisten. Da passte es gut ins Konzept, dass das Schmidt’sche Gekläff von den Mikros am Spielfeldrand aufgezeichnet und quasi in Endlosschleife gesendet werden konnte.
Mit jeder Wiederholung wuchs die Empörungswelle. Besonders erstaunlich, wie viele Kommentatoren plötzlich zu Moralaposteln mutierten. Man konnte ja meinen, Roger Schmidt hätte gerade einer Schar unschuldiger Erstklässler einen Schaden fürs Leben zugeführt.
Geht’s noch? Das ist Profifußball und kein Wattebäuschen-Weitwurf. Da ist Trash-Talk genauso normal wie ein hartes Tackling. Die Spieler bekämpfen sich 90 Minuten mit allen Mitteln, aber am Ende geben sie sich die Hand und tauschen das Trikot. Die Trainer toben und schimpfen an der Seitenlinie - irgendwie müssen die Emotionen schließlich raus.
Und nicht zuletzt sind da zehntausende Zuschauer auf den Rängen, die quasi im Sekundentakt fluchen, beleidigen und auf alles achten, nur nicht auf irgendeine Etikette. Der Fan in der Kurve genauso wie der feine Pinkel in der Loge – beim Fußball wird es halt mal verbal etwas deftiger.
Roger Schmidt hat sicherlich eine Grenze überschritten und es spricht auch für eine gewisse Einfältigkeit, weil schließlich der Aufpasser in Person des Vierten Offiziellen genau daneben stand und Schmidt natürlich auch weiß, dass überall Mikros sind. Aber seine Äußerungen wurden geahndet, er wurde auf die Tribüne verwiesen und gesperrt. Damit sollte die Sache wirklich durch sein. Die empörten Kommentatoren, die jetzt mit der Moralkeule auf Schmidt eindreschen, sollten mal halblang machen. Diese Scheinheiligkeit ist weitaus unangenehmer, als ein kläffender Trainer.