Natürlich hat jeder in Gladbach vor dem Spiel gegen Mainz auf die Tabelle geschaut. Der Gegner hat vier Punkte Vorsprung und steht aktuell auf einem Champions-League-Platz. Ein Heimsieg, und man wäre ganz dick im Geschäft um die Plätze in der Königsklasse. Geschenkt, dass man dort eigentlich nichts zu suchen hat, denn das hat Mainz - bei allem Respekt - auch nicht.
Derartige Gedankenspiele wurden an einem lauen Märzabend im Borussia-Park von einer ernüchternden Realität eingeholt. Ganz klar, Borussia hat nicht das Niveau, um wirklich da oben mitzumischen. Aus dem Abstiegskampf kommend hat sich diese Mannschaft in der aktuellen Spielzeit stabilisiert, hat ein Facelifting verpasst bekommen und einen Entwicklungsschritt gemacht.
Die Ausfälle machen sich bemerkbar
Borussia hat mit dem Abstiegskampf nichts am Hut und ein einstelliger Tabellenplatz ist ein realistisches Ziel. Es ist möglich, gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte kontinuierlich zu punkten, doch gleichzeitig reicht die Qualität nicht, um auch nur gelegentlich gegen die Mannschaften aus der oberen Region zu gewinnen. Gegen die Konkurrenten auf Augenhöhe sind es jedes Mal komplett offene Spiele, in denen das Momentum entscheidet. In Stuttgart passte es für die Borussen, gegen Augsburg und Mainz jedoch nicht.
Gegen Mainz war Borussia absolut nicht chancenlos und die Rheinhessen spielten keineswegs die Sterne vom Himmel, doch unter dem Strich reichte die Gladbacher Performance nicht aus. Die Personalsituation ist angespannt, und den Ausfall von fünf potenziellen Stammspielern kann dieser Kader nicht einfach so wegstecken. Der Esprit eines Franck Honorat wird mittlerweile schmerzlich vermisst und die Galligkeit eines Rocco Reitz hätte auch und gerade gegen die kompakten Mainzer gutgetan.
»Ein Tick Galligkeit und Aggressivität hat gefehlt«
Im Tor gibt es aktuell eine Baustelle (siehe ‘Borussias plötzliches Torwartproblem’) und wenn Friedrich und Lainer als Vertreter der gesperrten Itakura und Scally diejenigen sind, die für ihre Leistung gegen Mainz die meisten Komplimente erhalten, sagt das einiges über die Kollegen aus. Roland Virkus, Gladbachs Sportchef, zog nach dem Spiel in der Mixed-Zone ein Fazit, welches den Abend gut widerspiegelt.
»Das war jetzt kein grottenschlechtes, aber auch kein gutes Spiel«, sagte Virkus. »Die Mainzer waren insgesamt fokussierter und bei uns hat heute ein Tick Galligkeit und Aggressivität gefehlt, was uns in den vergangenen Wochen ausgezeichnet hat. Ich kann der Mannschaft nicht den Vorwurf machen, dass sie nicht gewollt hat. Aber wir haben sehr langsam gespielt, auch bei den Verlagerungen, wodurch die Mainzer die Zeit hatten, den Raum zuzustellen.«
Das Gegentor kurz nach der Pause war der Knackpunkt
Borussias Offensivspiel wirkte sehr eindimensional und trotzdem gab es Gelegenheiten (Kleindienst, Stöger) in Führung zu gehen. Doch das gelang Mainz, als die Borussen nicht konsequent verteidigten, sodass es mit einem Rückstand in die Pause ging. Dass unmittelbar nach Wiederanpfiff das 2:0 für die Gäste fiel, war der Knackpunkt des Spiels. Ausgerechnet Dominik Kohr nutzte die Schlafmützigkeit der Borussen nach dem Lupfer-Freistoß von Amiri und überwand Omlin.
Dieser Kohr hätte sich nicht beschweren dürfen, wenn er in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit für eine Tätlichkeit gegen Stöger vom Platz geflogen wäre und es zudem Elfmeter für Gladbach gegeben hätte. Die TV-Bilder zeigen eindeutig, dass Kohr Stöger einen Schlag verpasst. Dass die beiden sich im Vorfeld schon beharkt hatten und dass Stöger übertrieben den sterbenden Schwan mimte, darf man bei der Beurteilung der Szene nicht unter den Teppich kehren, aber dass Kohrs Schlag komplett folgenlos blieb, war eigenartig.
Kohrs Schlagen irrelevant?
»Es ist zu wenig, um da was zu geben«, sagte Roland Virkus zwar und auch Kevin Stöger spielte, wohl auch etwas peinlich berührt aufgrund seiner Showeinlage, die Sache anschließend herunter. Dennoch ist es verwunderlich, dass ausgerechnet die sensiblen DFB-Schiedsrichter die Tatsache eines klaren Schlagens einfach als irrelevant abtun.
Man muss es vielleicht auf das ‘Momentum-Konto’ der Mainzer verbuchen, für die in diesen Wochen vieles im genau richtigen Moment passt. Das war auch im Verlauf der zweiten Halbzeit so, als die Gäste das reifere und bessere Team waren, aber nach dem Anschlusstreffer von Lainer doch noch mal in die Bredouille zu kommen schienen. Noch knapp zwanzig Minuten auf der Uhr und das Stadion war plötzlich wach - da drohte Mainz eine heiße Schlussphase.
Kein Platz für Träumereien
Doch vier Minuten später machte Nadiem Amiri das, was er gegen Gladbach besonders gerne macht - er schoss ein Tor und nahm den Borussen sämtlichen Wind aus den Segeln. Die Sache war durch, das Spiel gelaufen und die Borussen mussten sich mit der Niederlage abfinden. »Mainz hat hochverdient gewonnen«, sagte Virkus. »Man muss auch anerkennen, dass sie im Flow sind und es richtig gut gemacht haben.«
Für die Borussen heißt es nun, die zarten Träumereien von der Champions League aus den Köpfen zu bekommen und sich der Realität zu stellen. Es geht weiter darum, aus dieser Saison so viel wie möglich herauszuholen, aber vor allem geht es um eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Das Spiel gegen Mainz war insoweit kein Rückschlag, sondern eher ein klarer Hinweis, dass noch sehr viel an den Basics geschraubt werden muss, bis man dahin kommt, mit einem Platz in Europa zu liebäugeln.
von Marc Basten