Transferwahnsinn

»Der Markt ist verrückt«

Created by von Marc Basten
Juve zahlt 90 Millionen für Higuain (Foto: Marco Bertorello / AFP / Getty Images)

Juve zahlt 90 Millionen für Higuain (Foto: Marco Bertorello / AFP / Getty Images)

90 Millionen für Gonzalo Higuain, 120 Millionen für Paul Pogba – die Summen werden immer bizarrer. Der Transfermarkt gerät außer Kontrolle. Wann folgt der große Knall?

Thomas Tuchel gilt gemeinhin nicht als ein Trainer, dem eine besondere Nähe zu den Fans attestiert wird oder der gar als ‚Old-School-Fußball-Romantiker‘ daherkommt. Umso mehr gewinnen die Aussagen des Dortmunder Trainers an Bedeutung, die er zum Ende der Promotion-Reise des BVB nach China tätigte. Tuchel macht sich Sorgen, dass der Fußball die Nähe zu den Fans verliert, weil der Markt durchdreht.

»Der Markt ist verrückt, die Preise sind außer Kontrolle«, sagt Tuchel. »Da ist kein Bezug mehr zu den Leuten, die ins Stadion kommen. Wir müssen aufpassen, dass wir die Menschen nicht verlieren. Wir spielen für sie, nicht für unser Ego. Es zirkuliert zu viel Geld«.

Die Entfremdung vieler Fans von ihrem Lieblingssport wird Tuchel nicht aufhalten können, aber es ist trotzdem gut, dass sich die Erkenntnis immer mehr durchsetzt, dass der Fußball auf einem ganz bedenklichen Weg ist.

Auch aus Gladbacher Sicht sind Summen wie 42 Millionen für Xhaka, 11 Millionen für Vestergaard oder 15 Millionen für Kramer komplett überdreht. Vor wenigen Jahren wäre Xhaka vielleicht für 16 Millionen nach England gewechselt, Kramers Rückholaktion hätte 5 gekostet und Vestergaard wäre für 2,5 zu haben gewesen.

Doch in Zeiten, wo das Geld – zumindest scheinbar – im Überfluss vorhanden ist, explodieren die Preise. Mit schier unglaublichen Folgen: Borussia Dortmund erzielt beispielsweise für Gündogan, Hummels und Mkhitaryan insgesamt 100 Millionen. Alle drei Spieler hatten nur noch einen Vertrag mit einer Restlaufzeit von einem Jahr, wären also nächsten Sommer ablösefrei zu haben gewesen. Doch die ‚Global-Player‘ aus Manchester und München sagen sich, ‚scheißegal, was kostet die Welt?‘

Dortmund pumpt das Geld zurück in den Markt, indem absurde Summen für Schürrle und Götze hingeblättert werden. Über 55 Millionen für zwei Ersatzspieler, die sportlich seit Jahren auf dem absteigenden Ast sind? Normalerweise müsste den Verantwortlichen ganz gehörig der Stift gehen. Doch beim BVB dürfen sich Zorc & Co feiern lassen: Sie werden trotzdem ein Transferplus erwirtschaften.

Der große Knall wird kommen, es ist nur eine Frage der Zeit. Der Fußball ist kommerziell dermaßen ausgepresst, dass sich nicht nur der hartgesottene Fan, sondern auch der gemeine Konsument abwendet. In der Werbebranche ist es mittlerweile ein offenes Geheimnis, dass Kampagnen mit Fußballbezug nicht mehr so ziehen wie noch vor zwei Jahren. Eine Übersättigung ist eingetreten, nachdem die Werbeblöcke nur so vor Fußball triefen. Es heißt, dass einige Werbestrategien während der EM komplett gefloppt sind, weil ein grinsender Fußballstar kaum noch einen potentiellen Kunden anlockt.

Das meiste Geld im Fußball wird über die TV-Gelder generiert. In Deutschland hat es weder Premiere noch Nachfolger Sky auch nur annähernd geschafft, profitabel zu wirtschaften. Die Frage, wie Sky die nun erheblich angestiegenen Kosten für die Bundesligarechte refinanzieren will, wird allgemein nur mit einem Schulterzucken beantwortet. Doch irgendwann wird man sich der Problematik stellen müssen. Dass plötzlich ein Boom im Pay-TV-Bereich ausbricht, wo allgemein der Fußball-Überdruss zunimmt, ist ziemlich abwegig.

Derweil sieht Schalkes Neu-Manager Christian Heidel noch kein Ende des Irrsinns. »Ich weiß, was im nächsten Jahr in Deutschland im Transfergeschäft passiert, wenn alle Klubs 30 bis 50 Prozent mehr Fernsehgeld haben«, sagte er im Interview mit 11-Freunde. »Nächstes Jahr wird das heißeste Transferfenster aller Zeiten«.

Die ganze Entwicklung hat zu einer gigantischen Blase geführt, die irgendwann platzen muss. Es soll nur hinterher niemand sagen, dass das nicht absehbar gewesen wäre.

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