Als Borussias Trainer Gerardo Seoane seine Erklärung bei der Pressekonferenz nach dem Spiel in Dortmund mit den Worten beendete, dass man »auf dieser Leistung aufbauen« kann, zuckte mancher Zuhörer kurz zusammen. Doch ganz unrecht hatte der Schweizer eigentlich nicht, denn abgesehen von dem neunminütigen Blackout vor der Pause zeigte die Mannschaft tatsächlich ein ordentliches Auswärtsspiel und präsentierte sich im Vergleich zum Auftritt bei St. Pauli verbessert.
Die Voraussetzungen waren dabei alles andere als optimal: Zwar stand Rocco Reitz wieder zur Verfügung, doch durch den erneuten Ausfall von Franck Honorat fehlte einer der wenigen Unterschiedsspieler, und auch das Fehlen von Robin Hack in der Startelf wirkte sich in mehrfacher Hinsicht negativ aus. So waren die Flügel mit positionsfremden Akteuren (Plea, Čvančara) besetzt, und insbesondere Ullrich musste auf die sonst so wichtige defensive Unterstützung von Hack verzichten.
Eine seriöse Leistung und eine nicht unverdiente Führung
In der Offensive zeigte Plea ein paar Ansätze, während Čvančara überhaupt kein Faktor war und Stöger in zentraler Rolle zwar einiges versuchte, aber letztlich zu fehlerhaft agierte. Kleindienst wurde erneut nicht in Szene gesetzt und so war das Gladbacher Offensivspiel über die gesamte Spielzeit hinweg qualitativ nicht ausreichend. Bezeichnend, dass der Führungstreffer aus einer überraschenden Einzelaktion von Innenverteidiger Ko Itakura resultierte.
Als der Japaner in der 24. Minute traf, schöpften die Fohlen trotz der alles andere als idealen Ausgangslage mehr als nur berechtigte Hoffnung, ihre Pleitenserie in Dortmund endlich beenden zu können. Das lag auch darin begründet, dass der BVB sehr hausbacken agierte und von der Wucht aus der Champions League so gut wie nichts übrig geblieben war. Das Fazit nach den ersten 40 Minuten: Gladbach hatte sich die Führung mit einer unspektakulären, aber seriösen Leistung gegen harmlose Dortmunder verdient.
Totalausfall aller Systeme
Doch dann kamen diese neun Horrorminuten, in denen das Spiel komplett kippte und die letztlich dafür sorgten, dass die Fohlen das Westfalenstadion erneut als Verlierer verließen. Drei Gegentore, alle nach demselben Muster, und ein Totalausfall sämtlicher Systeme: Ausgangspunkt waren jeweils Ballverluste auf der linken Seite, schwaches Zweikampfverhalten bei der Abwehr der Hereingaben und eine schläfrige Zuordnung im Zentrum. Besonders deutlich wurde das vor dem Ausgleich, als fünf Gladbacher rund um den Elfmeterpunkt zwei Dortmunder gegenüberstanden – und trotzdem kam Guirassy ungehindert zum Abschluss.
Bei den beiden folgenden Gegentreffern blieb jeweils der Rückraum ungedeckt, sodass die Dortmunder praktisch eine absurde 3:1-Führung zur Pause geschenkt bekamen. Es lag nahe zu befürchten, dass der Einbruch so gravierend war, dass nach der Pause eine richtige Klatsche drohen würde – wie schon so oft in den vergangenen Jahren in Dortmund. Doch dazu war der BVB einerseits zu harmlos, andererseits fanden die Borussen wieder Stabilität.
Keine Durchschlagskraft
Gerardo Seoane betonte anschließend anerkennend, dass seine Mannschaft in der zweiten Halbzeit nicht den Kopf verloren habe. Das lässt sich durchaus unterschreiben, doch zur Wahrheit gehört auch, dass die Fohlen nach dem von Stöger verwandelten Elfmeter kaum noch Torgefahr ausstrahlten. Trotz mehr Ballbesitz waren die Gladbacher weit davon entfernt, Dortmund ernsthaft unter Druck zu setzen oder entschlossen auf den Ausgleich zu drängen. So brachte der BVB den Sieg letztlich relativ problemlos über die Zeit und zog in der Tabelle an Gladbach vorbei.
Die Fohlen sind auf Rang 9 abgerutscht, und auch wenn es in der oberen Tabellenhälfte weiterhin eng zugeht, deutet die jüngste Ausbeute von nur einem Punkt aus drei Spielen kaum auf einen fulminanten Schlussspurt Richtung Europa hin. Das ist zwar bedauerlich, doch nicht zuletzt das Spiel in Dortmund hat gezeigt, dass dieser Mannschaft die nötige Qualität und Durchschlagskraft fehlt, um mehr als nur eine stabilere Saison als im Vorjahr zu spielen.
von Marc Basten