Das ging schnell. Zwei Spieltage sind absolviert und man liest Schlagzeilen wie ‚Borussia am Abgrund‘. Die Lobeshymnen sind noch nicht ganz verklungen, doch sie werden bereits von ‚Alarm-Sirenen‘ in Mönchengladbach weggefegt.
Überraschend sind derartige Reaktionen nicht. Schwarz-Weiß-Malerei gehört nicht nur zum Geschäft, es ist der Hauptbestandteil der öffentlichen Wahrnehmung und Aufarbeitung im Profifußball.
Doch auch bei differenzierterer Betrachtung kommt man nicht umhin, Borussia Mönchengladbach einen Fehlstart zu attestieren. Die Gründe sind vielfältig und in allen Mannschaftsteilen zu finden. In der Abwehrreihe fehlen Basisspieler (Stranzl, Dominguez), die talentierten Alternativen verfügen über keine Bundesligaerfahrung.
Vorne ist der wechselseitige Anpassungsprozess zwischen Mannschaft und Josip Drmic noch nicht abgeschlossen, André Hahn hat Trainingsrückstand (und muss sich künftig in zentraler Rolle auch erst mal beweisen). Die vielversprechende Variante mit Thorgan Hazard ist – logischerweise – noch nicht ausgereift.
Dazu kommen Formschwächen (Raffael), blöde Sperren (Nordtveit) und seit langer Zeit wieder Muskelverletzungen (Johnson). Es sind viele Zahnräder, die (noch) nicht ineinander greifen.
Und da ist natürlich das Herzstück des Gladbachers Spiels – das zentrale defensive Mittelfeld. Nicht nur für den Spielaufbau, sondern vor allem für die gesamte defensive Stabilität sind die beiden Sechser die wichtigsten Akteure. Und gerade hier zeichneten sich in den ersten beiden Ligaspielen die größten Probleme ab.
Neuzugang Lars Stindl ist ohne Frage ein feiner Fußballer und er hängt sich richtig rein. Doch man spürt, dass er offensiv denkt, dass er Lücken und Wege nach vorne sucht und gerne mitmarschiert. Das Umkehrspiel nach Ballverlusten, Löcher stopfen und permanente Störaktionen sind nicht so sein Ding.
Das war die große Stärke von Christoph Kramer, an dessen Seite Granit Xhaka eine überragende Saison spielte. Kramer hielt Xhaka nicht nur den Rücken frei, er fischte zahllose unspektakuläre, aber eminent wichtige Bälle ab und verstellte durch seinen großen Laufradius permanent die Passwege.
So konnte Xhaka seinerseits zur ‚Passmaschine‘ werden und die strategischen Stärken zur Geltung bringen. Nun ist Kramer weg und Stindl hat andere Qualitäten. Das weiß natürlich auch Xhaka, der sich nach seinem starken Jahr mehr denn je in der Verantwortung sieht. Er will Stindl unterstützen, ihm einen Teil der ‚Kramer-Arbeit‘ gegen den Ball abnehmen und gleichzeitig in Sachen Präsenz bei eigenem Ballbesitz dem Gladbacher Spiel noch mehr seinen Stempel aufdrücken.
Damit hat sich Granit Xhaka einen ziemlichen Rucksack geschnürt, an dem er sich in den ersten beiden Partien verhoben hat. Er war zwar der zentrale Punkt bei Borussia und lieferte viel Fleißarbeit ab. Aber weil er auf zu vielen Baustellen gleichzeitig tätig war, blieb seine Gesamtleistung nur Stückwerk.
Unter dem Strich können seine gute Aktionen gegen Mainz, wie den Pass auf Hazard vor der Pause, die entscheidenden Fehler nicht aufheben. Sein übermotivierter Lauf nach vorne leitete den Konter zum ersten Gegentor ein, ein lässiger Querpass brachte Mainz vor dem zweiten Tor in Ballbesitz.
Lucien Favre muss an vielen Stellen den Hebel ansetzen, doch vorrangig in der Zentrale. Granit Xhaka ist davon abzubringen, sich selbst zu überfordern und Lars Stindl muss noch intensiver das spezielle Gladbacher Spiel gegen den Ball verständlich gemacht werden.
Möglicherweise wird in Bremen die Stunde von Havard Nordtveit schlagen, der wieder spielberechtigt ist. Der Norweger kam zwar letztes Jahr nicht an Kramer vorbei, aber er weiß immerhin, was als zweiter Sechser neben Xhaka gefordert ist. Lars Stindl könnte dann eine Position nach vorne rücken, wo viele ihn ohnehin stärker sehen.
Borussia Mönchengladbach ist weit vom Abgrund entfernt und auch das Sirenen-Geheul kann man getrost ignorieren. Vielmehr wird es spannend werden zu verfolgen, welche Maßnahmen Lucien Favre ergreift und wie die Spieler reagieren. Schon am Sonntag im Weserstadion …