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»Undercover oben dabei« - Borussias Sieg in Berlin

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Mit aller Entschlossenheit - Lukas Ullrich erzielt sein erstes Bundesligator (Foto: Maja Hitij - Getty Images)

Der erste Sieg überhaupt im Stadion an der Alten Försterei war für Borussia Mönchengladbach in allen Belangen verdient. Die Mannschaft zeigte viele Facetten und ließ sich auch vom VAR nicht aus der Spur bringen.

Es war ein kalter Winternachmittag in Berlin-Köpenick und angesichts der vergangenen Jahre, in denen Borussia Mönchengladbach bei Union Berlin nichts zu holen vermochte, hatte so mancher die Vorahnung, dass am Ende über diesem Spiel die Schlagzeile “Borussia bei Union eiskalt erwischt“ stehen würde. 

Als eine knappe halbe Stunde gespielt war, war die Schlagzeile immer noch aktuell - allerdings mit vertauschten Rollen. Nicht Union hatte wie gewohnt die Gladbacher kalt erwischt, sondern umgekehrt. Die Borussen hatten sich weder von der Folklore im Stadion irritieren lassen, noch zeigten sie auch nur ansatzweise Unbehagen angesichts der zu erwartenden physischen Herangehensweise der Unioner. Im Gegenteil - die Gladbacher waren diejenigen, die mit geschlossener Zweikampfschärfe auftraten. 

Zielstrebig im Stil einer Spitzenmannschaft

Sie nahmen Union nicht nur den Wind aus den Segeln, sondern spielten auch zielstrebig nach vorn. Das 1:0 durch Lukas Ullrich war ein Musterbeispiel. Der Youngster trieb den Ball mutig aus der eigenen Hälfte nach vorn und klinkte sich nach seinem Abspiel auf Hack nicht aus, sondern lief weiter in den Raum. Hack erkannte die Option, spielte genau im richtigen Moment wieder auf Ullrich und der vollendete mit aller Entschlossenheit.

Auch das 2:0 wenig später war der Zielstrebigkeit geschuldet. Ein feiner Pass von Stöger auf Ngoumou, der den Freiraum und sein Tempo konsequent nutzte und die Situation so ausspielte, dass Kleindienst gar nicht anders konnte, als seinen 14. Saisontreffer zu erzielen. In diesem Moment gab es keinen Widerspruch, als auf der Tribüne jemand davon sprach, dass Borussia im Stil einer Spitzenmannschaft auftreten würde.

»Ein Glücksfall für uns, dass wir zwei Top-Torhüter haben«

Auch Trainer Gerardo Seoane zeigte sich beeindruckt, dass es seiner Mannschaft gelungen war, »in einer schwierigen Umgebung dem Gegner ihr Spiel aufzudrücken«. Borussia hatte alles im Griff und auch die verletzungsbedingte Auswechslung von Moritz Nicolas hatte keine spürbaren Auswirkungen. »Ein Glücksfall für uns, dass wir zwei Top-Torhüter haben«, sagte Seoane später. Jonas Omlin fügte sich nahtlos ein und wurde ganz am Ende nochmal richtig wichtig.

Vorwerfen lassen müssen sich die Borussen, in der ersten Halbzeit nicht für klarere Verhältnisse gesorgt zu haben. Chancen dazu waren da - nicht nur beim fulminanten Lattenkracher von Hack. Das 2:0 zur Pause war trügerisch, weil klar war, dass Union in der zweiten Halbzeit anders auftreten würde. Tatsächlich veränderte sich die Statik des Spiels grundlegend, auch weil die Gastgeber ihr System auf Dreierkette umgestellt hatten. 

Ein absurder VAR-Eingriff

Die Borussen bekamen im Mittelfeld nicht mehr genügend Zugriff, Union wurde mehrfach am und im Gladbacher Strafraum gefährlich. Dennoch schafften es die Gladbacher mit viel Leidenschaft, das eigene Tor zu verteidigen. Für den Anschlusstreffer benötigte Union die Hilfe des Kölner Kellers. Einmal mehr war es ein regelwidriger und absurder Eingriff des VAR zulasten der Borussia. Den leichten Schubser von Kleindienst an Rothe könnte man isoliert betrachtet vielleicht als elfmeterreifes Foul werten, aber die Szene begann mit einem ebenso leichten Schubser von Rothe an Stöger. 

Regeltechnisch gab es zwei Möglichkeiten: Beide Aktionen als zu wenig für ein Foul einzuordnen und weiterspielen zu lassen, wie es der Schiedsrichter ursprünglich auch gemacht hat, oder aber das erste Vergehen von Rothe zu ahnden und auf Offensivfoul zu entscheiden. Der Eingriff des VAR hätte niemals erfolgen dürfen. Weiterspielen zu lassen, war keine klare Fehlentscheidung und selbst wenn man Kleindiensts Vergehen bewerten will, darf die vorangehende Aktion von Rothe nicht außen vor gelassen werden. 

Seoanes Umstellung als gewinnbringende Maßnahme

Union kam durch das VAR-Geschenk wieder auf Tuchfühlung und für einige Minuten musste man befürchten, dass die Gladbacher nun überrollt werden würden. Doch gerade noch rechtzeitig kam die Reaktion von Außen. Die Einwechslung von Lainer und Friedrich und die damit verbundene Umstellung auf Dreierkette entpuppte sich als eine sinnvolle und letztlich gewinnbringende Maßnahme. Durch einen zusätzlichen Mann im Mittelfeld stellten die Borussen dort das Gleichgewicht wieder her, stabilisierten sich deutlich und Union tat sich jetzt viel schwerer, nach vorne zu kommen. 

Weil die Borussen in der Schlussphase die Entlastungsangriffe nicht konsequent ausspielten, blieb es bis zum Ende eine Zitterpartie, in der Jonas Omlin mit seiner Parade tief in der Nachspielzeit den Sieg festhalten konnte. Dieser erste Dreier der Borussia in Köpenick war vollends verdient, was anschließend auch niemand anzweifelte. Die Fohlen haben nach 22 Spielen so viele Punkte wie zum Ende der Vorsaison, eine Weiterentwicklung in allen Bereichen ist erkennbar. In den nächsten Wochen wird es wichtig sein, das zu festigen und zu bestätigen und sich nicht vom Gerede über Europa aus der Spur bringen zu lassen. Das könnte klappen, wenn sich alle dem Fazit von Tim Kleindienst anschließen: »Wir sind optimistisch und auf einem sehr guten Weg. Aber ich will hier nicht einfach etwas lostreten, was wir am Ende vielleicht nicht erreichen. Es ist schöner, wenn wir ein bisschen undercover oben dabei sind.«

 


von Marc Basten

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