Es gab Zeiten, da wurde in den europäischen Wettbewerben von Beginn an im K.O.-Modus gespielt. Hin- und Rückspiel, Hop oder Top. Da gab es keine Gruppenspiele und damit auch nur wenig Taktiererei, es ging um alles. Die Spiele unter Flutlicht hatten Endspielcharakter und übten allein deshalb große Faszination aus. Und wer die Sache mit der Auswärtstorregel verstanden hatte, der konnte sich ganz auf das Geschehen auf dem Rasen konzentrieren.
Heute definiert sich der Europapokal in der ersten Saisonhälfte über eine Gruppenphase mit Setzlisten und vielen Möglichkeiten, sich bei entsprechenden Konstellationen durchzumogeln. Natürlich ist das nicht uninteressant, weil bspw. für Borussia mit der Qualifikation feststand, sicher sechs internationale Spiele bestreiten zu dürfen. Obwohl die Gladbacher nur eine dieser sechs Partien siegreich gestalten konnten, dürfen sie als Tabellendritter in der Europa League weiterspielen. Letztlich war das alles nur eine Art gehobenes Vorgeplänkel. So richtig Europacup ist erst dann, wenn es in die K.O.-Phase geht.
Am Mittwoch ging es für die Borussen aus dem regnerischen Düsseldorf via Pisa nach Florenz. In der Hauptstadt der Toskana erwartet die Fohlenelf am Donnerstagabend so ein Alles-oder-nichts-Spiel. Nach der höchst unglücklichen 0:1-Niederlage vor einer Woche im Borussia-Park ist das Motto vorgegeben: Siegen oder fliegen!
An einem echten Europacupabend ist alles möglich
Die Voraussetzungen sind für den VfL nach dem Hinspiel sicher nicht besser geworden, gleichwohl kann man sich eine realistische Chance auf ein Weiterkommen ausrechnen. Die Fiorentina ist keine Übermannschaft und Borussia war vor Wochenfrist das bessere Team. »Aber das heißt nicht, dass wir da einfach mal so hinfahren und gewinnen können«, stellte Dieter Hecking klar.
Borussias Trainer verwies darauf, dass die Italiener im Stadio Artemio Franchi eine Macht sind. Die mit allen Wassern gewaschene Truppe aus der Toskana wird den Gladbachern alles abverlangen. Doch kleiner als nötig muss sich der Bundesligist nicht machen. An so einem echten Europacupabend ist alles möglich.
»Es wird ein schweres Spiel, das ist klar«, sagte Oscar Wendt vor dem Abflug nach Pisa, von wo aus es mit dem Bus ins gut eine Stunde entfernte Florenz ging. »Aber die Chance ist noch da. Wir geben uns auf keinen Fall geschlagen. Machen wir das erste Tor, ist alles drin«. Jonas Hofmann ergänzte: »Es ist quasi Halbzeit. Wir haben noch 90 Minuten Zeit und dürfen nicht in Hektik verfallen.«
»Ein gesunder Raffael wird uns gut zu Gesicht stehen«
Mit an Bord des Flugs EW 5218 befand sich Raffael, den Borussia in den letzten beiden Spielen schmerzlich vermisst hatte. Ein Einsatz des Brasilianers ist möglich. »Sonst wäre er nicht mitgeflogen«, sagte Dieter Hecking. Raffael habe beschwerdefrei trainiert und sei auf jeden Fall eine Alternative. »Bis morgen Abend ist noch Zeit«, so Hecking. »Ein gesunder Raffael wird uns gut zu Gesicht stehen«.
»Wir müssen den Spielfaden aufnehmen«, so Hecking weiter. »Florenz ist in der Favoritenrolle, das ist klar. Das Hinspiel hat uns aber den Optimismus nicht genommen. Wir brauchen Mut und Vertrauen in die eigene Qualität und die Effizienz wird entscheidend sein. Wenn uns ein Tor gelingt, wird alles auf Null gestellt. Wir kommen mit breiter Brust.«
»Die Mannschaft muss mit klarem Kopf auf den Platz gehen«, lautet die Vorgabe von Hecking. »Wir werden alles versuchen, Florenz die erste Heimniederlage beizubringen. Und wenn es am Ende nicht klappt, dann sind wir faire Verlierer.«