Am Ende lagen sich die Borussen in den Armen, die zahlreichen Borussenfans in Florenz feierten ausgelassen und die Spieler des AC Florenz inklusive Trainer Sousa wurden mit einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert verabschiedet. Eine gute Stunde zuvor hätte kaum jemand ein solches Szenario als möglich erachtet.
Mit 2:0 führte die Fiorentina nach einer halben Stunde und schien nach dem 1:0-Sieg im Hinspiel so gut wie sicher im Achtelfinale. »Dabei haben wir eigentlich richtig gut angefangen und hatten zwei dicke Dinger«, sagte Christoph Kramer. Jannik Vestergaard traf den Pfosten und es sah so aus, als ob die Borussen das Hinspielresultat zeitig egalisieren könnten. »Doch dann schlägt der Gegner gleich aus der ersten Chance Kapital«, sagte Dieter Hecking. »Das war natürlich sehr bitter.«
Vor allem, weil nicht nur Florenz danach deutlich stabiler agierte, sondern auch noch der zweite Treffer fiel. Die Slapstickeinlage von Jannik Vestergaard war abenteuerlich. »Das war einzig und allein ein individueller Fehler von mir«, suchte der Däne gar nicht erst nach Ausreden. Es sprach vieles dafür, dass damit das Abenteuer Europa für Borussia beendet war.
»... wie es wohl selten auf italienischem Boden passiert«
Zum Glück für die Gladbacher schaute der Schiri-Assistent an der Torlinie kurz vor der Pause genau hin und erkannte, dass Patrick Herrmann im Strafraum regelwidrig gehalten wurde. Lars Stindl verwandelte den Elfmeter sicher - keine Selbstverständlichkeit nach den vielen Gladbacher Fehlschüssen vom Punkt in dieser Saison. »Da lastete ein riesen Druck auf ihm«, meinte Patrick Herrmann.
»Der Elfer hat uns geholfen zurückzukommen«, sagte Dieter Hecking. »In der Pause haben wir gesagt, dass wir noch ein Viertel haben, das wir für uns entscheiden können. Durch den schnellen Ausgleich haben wir wieder den Moment für uns.« Lars Stindl traf als Abstauber im Anschluss an einen Standard. Und plötzlich sah die Welt in der Toskana ganz anders aus. »Dann war das Vertrauen da«, erklärte Hecking. »Die Mannschaft hat gespürt, dass sie das wirklich noch drehen kann. Das haben wir dann auf eine Art und Weise geschafft, wie es wohl selten auf italienischem Boden passiert.«
Gladbach kann plötzlich Standards
Auch der Führungstreffer resultierte aus einem Standard, diesmal einem flach und quer ausgeführten Freistoß von Hofmann, als alle mit einer Flanke rechneten. Stattdessen traf Stindl von der Strafraumgrenze punktgenau ins Eck. Eine Viertelstunde war im zweiten Durchgang gespielt, da stand es schon 4:2 für die Fohlenelf, nachdem erneut eine Standardvariante zum Erfolg führte. Eine kurz ausgeführte Ecke flankte Hofmann schließlich butterweich auf den Kopf von Christensen.
Die regelrechte Flut an Toren nach Standards nahm Dieter Hecking mit einem zufriedenen Lächeln zur Kenntnis. »Irgendwann muss es ja mal klappen«, sagte er. Sein Co-Trainer Dirk Bremser wäre schon recht »gallig« gewesen, weil die erarbeiteten Varianten bislang noch nicht so gefruchtet haben. In Florenz klappte es famos. »Dirk hat sicher auch einen großen Anteil am Sieg«, lobte Hecking seinen langjährigen Partner an der Seitenlinie.
Stindl sichert sich den Spielball
Indes wirkte die Fiorentina wie erstarrt und fand keine sinnvolle Antwort auf diese unglaubliche Viertelstunde der Borussen. Bis auf den Lattenfreistoß blieben die zuvor noch so cool aufspielenden Italiener harmlos und schlichen am Ende wie die geprügelten Hunde in den Spielertunnel.
Derweil ließen sich die Borussen berechtigterweise von den Fans feiern. »Da sind nur Glücksgefühle«, strahlte Patrick Herrmann und Lars Stindl ergänzte: »Das wir hier weitergekommen sind, ist die pure Freude«. Drei Tore erzielte der Kapitän, der sich den von allen Mitspielern signierten Spielball sicherte. »Der erste Dreierpack meiner Profikarriere«, freute er sich. Der Ball soll im Hause Stindl einen besonderen Platz erhalten.
Der Abend in Florenz war denkwürdig
»Die Mannschaft hat die Qualität, solche Spiele zu ziehen«, lobte Dieter Hecking. »Sie hat eine überragende Moral«. Während draußen im Stadion immer noch die Gesänge der Borussenfans in die Katakomben des altehrwürdigen Stadions hallten, blickte Hecking schon auf den Sonntag. »Leider ist es das Problem, dass wir uns direkt wieder auf Ingolstadt konzentrieren müssen. Man möchte der Mannschaft eigentlich gönnen, solche Momente länger ausleben zu können.«
Doch auch wenn das Tagesgeschäft schon wieder ruft - der Abend in Florenz war einfach nur denkwürdig.