Dass Lucien Favre in diesen Tagen und Wochen gelassen wirkt, haben Trainingsbeobachter in Mönchengladbach durch die Reihe festgestellt. Das war nicht immer so, doch der Schweizer scheint äußerst zufrieden mit der aktuellen Situation bei Borussia.
Die Champions-League ist für Favre ein Bonbon, das er sich schmecken lassen will, die Mannschaft ist gewachsen und die Neuzugänge passen ins Profil. So sagt Favre im Interview mit Bundesliga.de: »Alles steht und fällt damit, ob man es versteht, die eigenen Vorstellungen und damit das Spielsystem den Fähigkeiten der Spieler anzupassen«. Und hierbei sieht Favre sich und seine Mannen auf dem richtigen Weg.
Er sei auch in seiner sechsten Saison in keiner Weise amtsmüde, sagt der 57-Jährige. Diese Aussage unterstreicht er in der täglichen Arbeit, wenngleich Favre natürlich nicht mit einem Dauergrinsen auf rosa Wolken über den Trainingsplatz schwebt. Er arbeitet mit der gleichen Intensität, doch er wirkt ausgeglichener als zuvor.
Dass er mit Kruse und Kramer zwei wichtige Spieler verloren hat, erwähnt Favre zwar, jedoch lange nicht mit dem Nachdruck wie seinerzeit bei Reus, Dante und Neustädter. Die lange Ungewissheit über den Zustand von Martin Stranzl bereitete Favre Sorgen, aber die wurden nicht nach außen getragen. Das komplette ‚Team Sport‘ tritt geschlossen auf, die lange Zusammenarbeit hat Vertrauen geschaffen. Und selbst der Verlust des exzellenten Athletiktrainers Chris Weigl hat zumindest auf den ersten Blick keine Risse hinterlassen.
So können Favre und sein Team (auf und neben dem Platz) die neue Saison von einem festen Fundament aus angehen. Die Herausforderungen werden riesig sein, durch die Champions League erreicht man sportlich und von der öffentlichen Wahrnehmung her neue Dimensionen. Einerseits muss die Gunst der Stunde genutzt werden, auch vermarktungstechnisch alles herauszuholen, was möglich ist. Andererseits muss auf allen Ebenen die Bodenhaftung gewahrt bleiben, sonst droht eine blutige Nase.
Aus dem sportlichen Gesichtspunkt wird es langsam aber sicher ernst. Mit dem letzten Testspiel am Samstag bei Newcastle United (Anstoß 16 Uhr) wird die heiße Phase eingeläutet. Der Saisonstart könnte mit dem Pokalspiel bei St. Pauli und dem Ligaauftakt bei Borussia Dortmund kaum schwerer sein. Und dann kommt ja noch die ‚Ausnahmesituation‘ Champions League, die alle ‚kirre‘ macht.
Dass Lucien Favre derweil so gelassen wirkt, ist ein gutes Zeichen. Der eher als Zweifler und Haderer bekannte Trainer würde nicht so viel Optimismus ausstrahlen, wenn er nicht überzeugt wäre, dass Borussia Mönchengladbach auch 2015/2016 etwas bewegen kann.