Von den drei neuen Feldspielern, die Borussia Mönchengladbach bislang in dieser Sommerpause verpflichtet hat, ist Stefan Lainer fraglos am weitesten. Marcus Thuram ist knapp zwei Wochen da und muss noch am Fitnesslevel und vor allem dem spieltaktischen Verständnis arbeiten. Breel Embolo ist nach seiner mitgebrachten Verletzung erst eine komplette Woche im Mannschaftstraining und hat daher auch noch keine Startplatzgarantie in der Tasche. Dagegen ist Stefan Lainer in der ihm zugedachten Rolle als Rechtsverteidiger gesetzt.
12 Millionen hat sich die Borussia die Dienste des 26-Jährigen kosten lassen. Die Idee hinter dem Transfer ist offensichtlich: Stefan Lainer ist ein Spielertyp, wie es ihn im Gladbacher Kader ansonsten nicht gibt und der genau die Anforderungen erfüllt, um den Fußball der Marke Marco Rose umzusetzen. Rose kündigte seinen ehemaligen Schützling aus Salzburg als »Naturgewalt« an und diese Umschreibung erweist sich als durchaus zutreffend. Im Training, aber auch in den Testspielen, präsentiert sich Lainer als bissig und physisch ungemein stark.
Ein extrem vorwärtsorientierter Rechtsverteidiger, der gnadenlos attackiert
Das war auch bei der Generalprobe gegen den FC Chelsea zu beobachten. Er interpretierte die Rolle des Rechtsverteidigers extrem vorwärtsorientiert und attackierte gnadenlos, um Bälle zu erobern. Das gelang Lainer gegen die Londoner einige Male mit Bravour. Daneben bestätigte er auch die Aussage seines Trainers, dass Lainer 90 Minuten marschiert und gerade in der Endphase einer Partie nochmal zulegen kann. Gegen Chelsea fightete er in den letzten Minuten mit einer unglaublichen Power im gegnerischen Strafraum und forderte die Abwehrspieler um Andreas Christensen aufs Äußerste.
Gleichzeitig ist jedoch auch zu erkennen, dass Lainers Spielweise manchmal einem Tanz auf der Rasierklinge gleicht. Durch sein Vorpreschen geht er ein nicht unerhebliches Risiko ein, was sich bei Ballverlusten und schnellem Umschalten des Gegners bemerkbar macht. Lainer versuchte zwar, derartige Situationen energisch zu bereinigen, doch einige Male blieb ihm nur das Foulspiel. Dabei waren zwei, drei richtig ‘kluge’ Fouls, die den Gegner aus dem Tritt brachten, aber weder hart noch so deutlich taktischer Natur waren, dass der Referee ihn verwarnen musste. Genau diese Art von kleinen und im Kontext unauffälligen Unterbrechungen sind ein wichtiges Stilmittel, das man in Gladbach bislang viel zu selten sieht. Doch Lainer stieg auch einige Male so nachdrücklich ein, dass eine Verwarnung zwingend folgen musste.
Im Ligabetrieb wird er hellwach sein müssen, um nicht ständig in ‘Foul-Trouble’ zu geraten
Gegen Chelsea gab es, nachdem er bereits Gelb gesehen hatte, noch zwei, drei sehr kritische Situationen, in denen Lainer auch vom Platz hätte fliegen können. Insoweit wird er im Ligabetrieb hellwach sein müssen, damit er nicht ständig in Schwierigkeiten gerät. Dennoch scheint die Prognose, dass Stefan Lainer in der neuen Saison die eine oder andere Sperre wird absitzen müssen, wenig tollkühn. Im Übereifer unterliefen dem Österreicher auch einige Stockfehler, die aber in Relation zu seinem Enthusiasmus verzeihlich sind, sofern sie nicht so krass daneben gehen, wie der fatale Rückpass im zweiten Durchgang.
Unter dem Strich ist der Eindruck, den Stefan Lainer bisher hinterlassen hat, durchaus positiv. Doch klar ist auch, dass sein Spielstil mit viel Risiko verbunden ist und es wird eine knifflige Aufgabe, das im Pflichtspielbetrieb immer korrekt auszubalancieren.
von Marc Basten