Mit Jordan Beyer hat sich mal wieder ein Eigengewächs aus dem Fohlenstall auf den Weg in die große weite Fußballwelt gemacht. Viele hochgelobte Talente sind beim Übergang vom Jugend- und in den Seniorenfußball auf der Strecke geblieben und haben es nicht geschafft. Umso erstaunlicher, mit welcher Selbstverständlichkeit Louis Jordan Beyer seine ersten Schritte im Profifußball gegangen ist. Fraglos hat Borussia mit dem 19-Jährigen einen mehr als vielversprechenden Youngster in den eigenen Reihen.
Schon in der Saisonvorbereitung verblüffte der damals 18-Jährige mit seinem selbstbewussten Auftreten. Gerade als Defensivspieler in diesem Alter benötigt es eine Menge, um bei all den gestandenen Profis nicht unterzugehen. Beyer zeigte sich aufgeweckt, geradlinig und vor allem wenig schreckhaft. So verdiente er sich auf und neben dem Platz erste Sporen und ziemlich schnell auch den Respekt der älteren Spieler. Auch Dieter Hecking fand Gefallen an dem unaufgeregten Verteidigertalent. Und da sich der etatmäßige Rechtsverteidiger Michael Lang zu Beginn des Trainingslagers schwer verletzte, rückte Beyer schneller in die erste Reihe, als allgemein erwartet.
Zu Saisonbeginn direkt gefragt und zur Stelle
Zum Auftakt im DFB-Pokal gab er sein Profidebüt, eine Woche später beim Heimsieg gegen Leverkusen stand er erstmals in der Bundesliga auf dem Platz. Kleinere Stellungsfehler trübten den guten Eindruck nur wenig, den Beyer gegen Bayer hinterließ (Note 2,5). Er geriet auch in engen Drucksituationen nicht in Panik und fand aufgrund seines Vertrauens in die eigene Technik fast immer eine Lösung. Auch am zweiten Spieltag in Augsburg stand er seinen Mann, wobei er sich hier als ausgesprochen resistent gegen das Offensivpressing der Gastgeber zeigte. Er löste sich in engen Momenten souveräner als mancher seiner erfahrenen Kollegen. Dennoch war sein zweites Bundesligaspiel nach 45 Minuten beendet, da er wegen der Umstellung auf Dreierkette aus taktischen Gründen ausgewechselt wurde.
So ganz hatte Beyer noch nicht das Zutrauen von Dieter Hecking gewonnen. In den folgenden beiden Partien beorderte der Trainer den eigentlich als Innenverteidiger eingeplanten Elvedi auf die rechte Seite und Beyer blieb ohne Einsatz. Am fünften Spieltag gegen Frankfurt rutschte er aufgrund der Verschiebungen in der Abwehr (Jantschke verletzt, Elvedi nach innen und Lang noch nicht so weit) wieder in die Startformation. Beim 3:1-Heimsieg machte er seine Sache ordentlich (Note 3,5), auch wenn er beim Gegentor durch Rebic im Zusammenwirken mit Sommer nicht ganz glücklich aussah. Dennoch fiel er mit seiner Standhaftigkeit im Zweikampf gegen die bekannt robusten Frankfurter positiv auf.
Starke Leistungen als Innenverteidiger inklusive Lehrgeld in Dortmund
Alsdann wurde der bis dahin rasante Aufstieg des Youngsters jäh gestoppt. Zum einen warfen ihn Hüftprobleme zurück, zum anderen war Michael Lang fit und übernahm fortan die Position des Rechtsverteidigers. In der Innenverteidigung - eigentlich Beyers gelernte Rolle - überzeugte das Duo Elvedi & Ginter, so dass er in den folgenden sieben Partien nichtmals im Kader stand. Erst ab dem 13. Spieltag gehörte er wieder zum Aufgebot, zwei Wochen später bei der Abwehrschlacht in Sinsheim gab er sein Comeback. Nach der Verletzung von Ginter und dem kurzfristigen Ausfall von Jantschke durfte Beyer erstmals in der Bundesliga als Innenverteidiger ran. Er überzeugte mit Abgeklärtheit, gutem Stellungsspiel und klarer Zweikampfführung (Note 2,0). Als nach der Pause auf Dreierkette umgestellt wurde, übernahm er die Rolle rechts in der Kette und agierte weiter besonnen und nie panisch, was angesichts des Hoffenheimer Dauerdrucks alles andere als selbstverständlich war.
In der Woche darauf spielte er gegen Nürnberg beim 2:0-Heimsieg erneut als Innenverteidiger durch (Note 2,5) und spulte sein Programm mit einer bemerkenswerten Selbstverständlichkeit ab. Erstmals richtig Lehrgeld zahlte Beyer dann beim Hinrundenfinale in Dortmund. Mit einem Fehlpass nach einer zuvor gelungenen und mutigen Aktion gegen Reus leitete er den Angriff zum ersten Gegentor ein und beim zweiten Dortmunder Tor ließ er Reus in seinem Rücken entwischen. Doch ansonsten war Beyer einer der stärksten Gladbacher auf dem Platz. Er funkte männlich und sauber dazwischen, tackelte mit der nötigen Bissigkeit und zeigte gegen die wahrlich nicht langsamen Dortmunder eine gesunde Grundschnelligkeit. Vor allem spielte er auch unter Bedrängnis viele richtig gute und klare Pässe.
Erst Anfang Mai kam Beyer wieder zum Einsatz
Eigentlich waren die letzten drei Partien vor der Winterpause ein echtes Bewerbungsschreiben für den 18-Jährigen, doch das neue Jahr verlief anders als erwartet. In den ersten vier Spielen stand er nicht im Kader, danach ging es zur U19 bzw. zur U23, wo er sich eine Rotsperre einhandelte. Im März warf Beyer zudem eine Sprunggelenksverletzung zurück, so dass er die Wochen des kollektiven Einbruchs weitestgehend von außen miterlebte. Erstmals in der Rückrunde gehörte er am 30. Spieltag gegen Leipzig zum Profikader, blieb aber ohne Einsatz. Beim Offenbarungseid in Stuttgart stand er nicht im Aufgebot, in der Woche darauf gegen Hoffenheim war er wieder dabei und wurde zur Pause für den angeschlagenen Jantschke eingewechselt.
In der neu gebildeten Viererkette übernahm er die Rechtsverteidigerposition und bot eine ordentliche Leistung (Note 3,5), auch wenn ihm Nico Schulz zusetzte. Beim folgenden Auswärtsspiel in Nürnberg gab Beyer sein Startelfdebüt in 2019 und zeigte nach anfänglichen Schwierigkeiten eine solide Partie (3,0). Mit einem gelungenen Antritt war er der Initiator des Angriffs zum erlösenden 1:0. Zum Abschluss gegen den BVB blieb Beyer als Rechtsverteidiger in der Startelf und auch wenn in einigen Situationen beim Stellungsspiel erkennbar war, dass er kein gelernter Rechtsverteidiger ist, überzeugte er durch seine Standfestigkeit und Ruhe (Note 3,0).
Auf Strecke gesehen sollte Beyer eine feste Größe in der Innenverteidigung werden können
Fraglos ist Jordan Beyer ein Versprechen für die Zukunft. Borussia hat mit ihm einen hochtalentierten Abwehrspieler in den eigenen Reihen, der bei entsprechender Förderung alle Möglichkeiten hat. Seine Voraussetzungen (klarer Kopf, körperliche Präsenz, ordentliches Tempo, saubere Technik) sind erstklassig und auf Strecke gesehen sollte er eine feste Größe in der Innenverteidigung bei Borussia werden können. Wie Marco Rose das sieht, wird sich zeigen. Dem neuen Trainer eilt der Ruf voraus, durchaus ein Gespür für Talente und den Mut zu haben, diese auch einzusetzen. Mit Jordan Beyer könnte er den Anfang machen.
von Marc Basten