André Schubert ist sehr kommunikativ. Auch am Samstag nach der Partie gegen den VfL Wolfsburg beantwortete er mit viel Geduld und sehr ausführlich die Fragen der Journalisten. Was er da von sich gab, hatte durchaus Hand und Fuß.
Nur einmal schaute er etwas irritiert, als ein Journalist davon sprach, dass diese intensive Spielweise auf Dauer keine Lösung sei. »Warum denn nicht?«, fragte Schubert. Er habe nach den vier Spielen innerhalb von elf Tagen keinen nennenswerten Substanzverlust feststellen können, zudem hätte man kaum rotiert, um die neue Stabilität nicht zu gefährden. Normalerweise würde es mehr Wechsel geben und dann wäre die Belastung für den Einzelnen gar nicht so groß.
Schubert räumte zwar ein, dass die Spieler sich für das sprintlastige Spiel umgewöhnen müssten. »Doch das kann man trainieren«, so der Coach. »Im Moment sind die Spiele die besten Trainingseinheiten«.
Dass er damit die Skepsis im Kreis der Journalisten nicht ausräumen konnte, wird Schubert möglicherweise verwundert haben. Doch in Gladbach hat es viereinhalb Jahre einen Trainer gegeben, für den ›Balance‹ und ›Belastungssteuerung‹ Kernbegriffe waren. Es war beileibe kein Zufall, dass das Team unter Lucien Favre in all den Jahren so wenig Gegentore kassierte, zu den laufstärksten der Liga gehörte und gleichzeitig so gut wie nie Spieler mit Muskelverletzungen ausfielen. Permanent an und über die körperlichen Grenzen gehen, ist kurzfristig und mit etwas Glück auch mittelfristig möglich. Über eine ganze Saison, noch dazu in mehreren Wettbewerben, nicht.
Das hat sich in der jüngeren Vergangenheit am Beispiel Borussia Dortmund gezeigt. Der BVB wurde mit Powerfußball Meister, doch als er auch international konkurrenzfähig wurde, kam er in der Liga nicht mehr in Reichweite des Titels. Die Ressourcen gingen zur Neige, die Verletzungen nahmen überhand, und als Jürgen Klopp versuchte, seine Mannschaft in der Liga ökonomischeren Fußball spielen zu lassen, blieb Dortmund gegenüber den Bayern chancenlos.
André Schubert verweist darauf, dass man »ja nicht 90 Minuten permanent vorne draufgehe«. Er will, dass seine Mannschaft den Spielrhythmus bestimmt mit Phasen der Ballkontrolle und des bedachten Rückzugs. Das ist, siehe Dortmund, eine große Herausforderung.
Wie schwer es auch für die Spieler ist, das Gleichgewicht in unterschiedlichen Ausrichtungen zu finden, erklärt Christoph Kramer in einem Interview in der aktuellen Sport Bild. »In Gladbach hatten wir extremes Ballbesitzspiel mit Wert auf Dominanz. Es war ein Zermürben des Gegners. In Leverkusen sind wir stark aufs Gegenpressing fixiert«. Es werde viel attackiert und dadurch musste Kramer sich umstellen. »Ich verteidige ein bisschen höher und aggressiver und nehme es auch mal in Kauf, dass ich überspielt werde«. Seine Laufleistung beträgt etwa einen halben Kilometer weniger als früher. »Dafür habe ich doppelt so viele Sprints«.
Erst in den letzten Spielen findet sich Kramer besser zurecht. Doch die richtige Ausgewogenheit haben weder er noch Bayer gefunden. Es ist ein schmaler Grat.
Für Borussia waren die Maßnahmen von André Schubert in der aktuellen Situation als Soforthilfe genau richtig. Nicht nur die Mannschaft, sondern das ganze Umfeld wurde erweckt. Natürlich ist es viel attraktiver, einen so beherzten Auftritt wie ManCity zu sehen, als ein von Sicherheitsdenken überlagertes Ballgeschiebe. Und dennoch bleibt die Frage, wie sich die veränderte Herangehensweise mittel- oder gar langfristig durchhalten lässt.
André Schubert wird laut Max Eberl gegen »Frankfurt und darüber hinaus« bei Borussia das Sagen haben. Damit dürften (mindestens) die Partien bis zur nächsten Länderspielpause gemeint sein: in Frankfurt, bei Juventus Turin, gegen Schalke daheim, auf Schalke im Pokal, auswärts bei Hertha und im Borussia-Park erst gegen Juve und dann gegen Ingolstadt. Sieben Spiele innerhalb von 22 Tagen - mehr geht nicht.
Hier wird sich zeigen, ob Kommunikator André Schubert mehr als nur der temporäre Blockadenlöser ist, den viele Beobachter in ihm sehen. Es ist eine echte Challenge, bei der auch Schubert sein Profil schärfen kann. Spannend wird es allemal. Und anstrengend.