Eigentlich war die Sache klar. Patrick Herrmann, neben Tony Jantschke der letzte Mohikaner der 2011er Relegationsmannschaft, stand in der Saisonvorbereitung vor dem Aus bei Borussia. Er hatte seine Papiere schon quasi in der Hand, als sich Ibo Traoré beim Vorbereitungsspiel in Southampton nach wenigen Minuten verletzte und Herrmann zu einem ungeplant langen Einsatz kam.
Er nutzte seine Chance eindrucksvoll und zeigte, dass er doch noch eine Rolle in Gladbach spielen könnte. Etwas später verkündeten beide Seiten feierlich, dass sich alle Wechselpläne erledigt hätten und Hermann da bleibt, wo er hingehört: bei Borussia.
Und tatsächlich ging es gut los für den mittlerweile 27-Jährigen. »Ich bin ganz gut reingekommen in die Saison«, sagt Herrmann. An den ersten sieben Spieltagen stand er sechsmal auf dem Platz. In Wolfsburg beim 2:2, wo er ein Tor für Hazard klasse vorbereitete, ging er sogar über die volle Distanz. Untypisch für den ›Auswechselkönig‹. Zwei Tore steuerte er bei, u.a. den dritten Treffer beim historischen Auswärtssieg in München.
»Das sind eben genau diese Härtefälle, die wir immer mal wieder haben«
Doch seit dem Spiel in Freiburg, wo er zur Pause für den angeschlagenen Plea eingewechselt wurde, hat sich das Blatt grundlegend gewendet. »Im Moment bin ich noch nicht mal im Kader, das ist natürlich sehr ernüchternd«, sagt er. Etwas vorgefallen ist nicht, auch im Training soll Herrmann wie zuvor arbeiten. Einzig die Planungen von Dieter Hecking haben sich verändert, der nach der Rückkehr von Lars Stindl einen Offensivspieler rausnehmen musste und sich für Herrmann entschied. Plausibel, wenn die anderen Kandidaten Hazard oder Plea heißen.
Dass es zuletzt selbst für einen Bankplatz nicht mehr reichte, hängt auch mit der Genesung von Ibo Traoré zusammen. Dieser ist die erste offensive Wechseloption für Hecking, weil er mit seinen eins-gegen-eins Dribblings eine besondere Qualität einbringen kann. Je nachdem, wie ansonsten die Bank besetzt wird, fällt Herrmann ganz raus.
So war es auch bei der letzten Partie in Leipzig. »Es sind immer wieder spieltaktische Überlegungen, die da eine Rolle spielen«, erklärt Hecking. In Leipzig wollte er mit Jordan Beyer einen Abwehrspieler auf der Bank haben, Cuisance und Bénes fürs Mittelfeld, Raffael und Traoré für vorne und Johnson als flexiblen Allrounder. Für Herrmann war da kein Platz mehr. »Das sind eben genau diese Härtefälle, die wir immer mal wieder haben«, so Hecking.
Ein weiteres halbes Jahr zwischen Bank und Tribüne ist keine verlockende Perspektive
Das ist alles nachvollziehbar, aber für Patrick Herrmann natürlich nur ein schwacher Trost. Der Ur-Borusse, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, könnte sich bereits im Winter neu orientieren. »Klar denkt man darüber nach«, bestätigt er. Ein weiteres halbes Jahr zwischen Bank und Tribüne ist keine verlockende Perspektive.
Dieter Hecking dagegen weiß, wie schnell sich die Personalsituation verändern kann. »Von meiner Seite aus gibt es null Bestrebungen, einen Spieler abzugeben, der für den engeren Kader infrage kommt.« Hecking stellte klar, dass es von ihm aus kein Gespräch dahingehend geben werde, »dass Patrick sich im Winter was Neues suchen soll.«
Die Lage ist verzwickt, die Argumentation auf beiden Seiten nachvollziehbar. Wie es weitergeht, ist derzeit völlig offen. Den Ausschlag werden wohl die letzten vier Partien bis Weihnachten geben. Vielleicht passiert ja nochmal so etwas unerwartetes, wie im Sommer.
von Marc Basten