So ganz sicher war sich Lucien Favre während der Sommervorbereitung im letzten Jahr noch nicht. Sollte er Mo Dahoud schon ins kalte Wasser werfen und ihm zutrauen, neben Granit Xhaka zu spielen und den abgewanderten Christoph Kramer zu ersetzen? Vielleicht hätte sich Zweifler Favre dazu durchringen können, wenn nicht parallel in der Abwehr große Personalprobleme hinzugekommen wären. Dass er dort mit Schulz und Christensen zwei Teenager aufbieten musste, dürfte ihn dazu bewogen haben, nicht auch noch Dahoud zu bringen und möglicherweise zu verheizen.
So kam Dahoud in den ersten vier Ligaspielen, dem Pokalspiel und der Premiere in der Champions League in Sevilla zwar zu Einsätzen, doch immer von der Bank aus. Dass Borussia in die Abwärtsspirale geriet, konnte Dahoud freilich nicht verhindern. In seinem letzten Spiel als Gladbachs Trainer brachte Lucien Favre schließlich die Bundesligakarriere des Mo Dahoud doch noch ‚richtig‘ in Gang. Im Derby in Köln stand Mo erstmals in der Startelf.
Drei Tage später übernahm André Schubert und der ließ Dahoud einfach da, wo er war und hingehörte. Dahoud bedankte sich für das Vertrauen und erzielte gleich im ‚Erweckungsmatch‘ gegen Augsburg seinen ersten Bundesligatreffer. In der Einzelkritik erhielt er die Note 1,5 und wir notierten: ‚Die Körpertäuschungen sind seine größte Waffe. Mit den Bewegungen löste er sich ballführend leicht und locker vom Gegner‘.
Das Gesicht der wiedergeborenen Borussia
Genau diese Geschmeidigkeit brachte Dahoud auch in den weiteren Partien aufs Feld. Gepaart mit einem unglaublichen Laufpensum, das sogar die Werte eines Christoph Kramer pulverisierte. An der Seite von Granit Xhaka entwickelte sich Dahoud rasend schnell zum Leistungsträger. Während der fulminanten Siegesserie war er sowas wie das Gesicht der wiedergeborenen Borussia, die durch die Liga rockte.
Lange genug war Dahoud zurückgehalten worden, nun entlud sich seine ganze Energie. Natürlich stieß er an gewisse Grenzen. Das schon ohnehin unfassbare Laufpensum war nicht durchzuhalten, schon gar nicht im Dreitagerhythmus. Schubert wechselte ihn mehrfach frühzeitig aus, um die Belastung halbwegs zu dosieren.
Derweil musste sich Dahoud an die stets wachsenden Aufgaben gewöhnen. Schließlich geht es im zentralen Mittelfeld um weitaus mehr, als eine feine Technik, fließende Bewegungen und den einen oder anderen Traumpass. Es ist viel strategisches Verhalten gefordert, gerade in der defensiven Raumaufteilung. Die dortigen Probleme und die bei der Zweikampfführung bekam Dahoud immer besser in Griff, dennoch bleibt hier noch einiges Entwicklungspotential.
Wichtig wird sein, das er gefestigt und auf dem Boden bleibt
Dass Borussia zu Beginn der Rückrunde defensiv so instabil war, lag zu einem gewissen Teil an der luftigen Staffelung im defensiven Mittelfeld. Dahouds Unbekümmertheit und viel zu forsche Positionierung beim Forechecking hatte manch gefährlichen Gegenangriff zur Folge. Erst als Granit Xhaka konsequent die Position und damit Dahoud den Rücken freihielt, festigten sich die Borussen. Als vermehrt mit Dreierkette verteidigt wurde, gab es im Mittelfeld zusätzliche Sicherheit, weil nun die Räume enger waren, wovon Dahoud sichtlich profitierte.
Mit 5 Toren (das Highlight sicherlich der Treffer zum 1:0-Heimsieg im Derby) und 9 Vorlagen kann Mo Dahoud bei 41 Pflichtspieleinsätzen auf eine herausragende erste Bundesligasaison zurückblicken. Wichtig wird sein, dass er gefestigt und auf dem Boden bleibt. Das ist nicht einfach angesichts der ganzen Schulterklopfer und der Begleiterscheinungen, welche durch den Hype auf den 20-Jährigen einstürzen.
In der neuen Saison wird Mo Dahoud gefordert sein. Er muss sich an einen neuen Nebenmann gewöhnen, wobei er in puncto Absicherung und Laufintensität ganz sicher auf Christoph Kramer zählen kann. In der Spielgestaltung muss Dahoud einen Teil dessen übernehmen, was ‚Passmaschine‘ Xhaka bislang geliefert hat. Die fußballerische Klasse hat er dazu ganz sicher, doch gleichzeitig hat er auch noch Luft nach oben. Bereit für die Champions League ist Mo Dahoud schon jetzt.