Es war ein echtes Spektakel, das Borussia Mönchengladbach den Zuschauern nach der Pause bot, als Schalke 04 binnen kurzer Zeit regelrecht filetiert wurde. »Innerhalb von zehn Minuten haben wir die Weichen auf Sieg gestellt«, sagte Dieter Hecking. »Das fühlt sich gut an.«
Zuvor hatte seine Mannschaft die Schalker mit einer eher untypischen Taktik für ein Heimspiel überrascht. Zu Beginn attackierten die Borussen die Gäste fünf Minuten mit Extrem-Pressing, ehe sie sich zurückzogen. Schalke war als Auswärtsmannschaft plötzlich gefordert, das Spiel zu gestalten. Was ihnen sichtlich Schwierigkeiten bereitete.
Dass Schalke deutlich mehr Ballbesitz hatte, interessierte dabei niemanden. Denn die Borussen verteidigten äußerst aufmerksam. »Im Moment kriegen wir es als Mannschaft sehr gut hin, die Räume zu schließen«, sagte ein zufriedener Max Eberl. »So hat es der Gegner echt schwer.«
Taktische Vorgaben zu einhundert Prozent umgesetzt
Der Schalker Einfallslosigkeit bei Ballbesitz setzten die Borussen wirksame offensive Nadelstiche entgegen. Einer führte zum 1:0 in einer Phase, als niemand, einschließlich der Gelsenkirchener Abwehrspieler, dies erwartet hatte. »Von der taktischen Disziplin her haben wir schon in der ersten Halbzeit ein sehr gutes Spiel gemacht«, lobte Hecking. »Damit war ich zu einhundert Prozent einverstanden, weil die Mannschaft den Gegner bearbeitet und die taktischen Vorgaben umgesetzt hat.«
Die Ausnahme war die Aktion, die zum Elfmeter und damit zum Ausgleich führte. »Das war ärgerlich«, meinte Hecking. »Die Situation hätten wir anders lösen müssen.« Doch schon unmittelbar nach dem Gegentor hatten Raffael per Freistoß und Johnson große Möglichkeiten, für die neuerliche Führung zu sorgen.
In der Halbzeit appellierte Hecking an die Spieler, »geduldig zu bleiben und die gute Ordnung beizubehalten«. Patrick Herrmann verriet, dass sich die Spieler in der Pause richtiggehend gepusht haben. »Wir sind sehr fit, was man immer in der zweiten Halbzeit sieht. In der Pause schwören wir uns extrem darauf ein und machen uns nochmal heiß.«
Das Trainerherz schlägt höher
Nachdem die Borussen nach Wiederanpfiff die Schrecksekunde des Burgstaller-Kopfballs überstanden hatten, liefen sie regelrecht heiß. Schalke hatte in dieser Phase dem schnellen Kombinationsfußball nichts entgegenzusetzen. Der folgerichtige zweite Gladbacher Treffer durch Johnson war eine echte Augenweide. »Das war phantastisch rausgespielt«, freute sich Hecking. »Alle waren in Bewegung und haben die Räume, die uns Schalke in dem Moment gegeben hat, komplett ausgenutzt. Da schlägt das Trainerherz natürlich auch mal höher.«
Fabian Johnson zeichnete sich mit seinem zweiten Tor an diesem Abend für diesen Leckerbissen verantwortlich. Kurz darauf zerlegten Dahoud und Raffael die Schalker Hintermannschaft und Wendt vollendete zum 3:1. Schließlich legte Raffael nach überlegter Vorarbeit von Strobl noch einen drauf.
Dass Lars Stindl an diesem Abend - trotz einiger guter Chancen - ohne Treffer blieb, war nur eine Randnotiz. Dieter Hecking hatte unter der Woche gefordert, dass auch andere Spieler Torgefahr ausstrahlen müssen. Johnson und Wendt lieferten prompt. »Ich erwarte, dass wir flexibel und nicht so einfach für den Gegner auszurechnen sind«, meinte Hecking. »Aber zu hoch hängen sollte man das jetzt nicht.«
»Wir schaffen es, die Widerstände zu brechen«
Überhaupt waren die Borussen betont um Bodenhaftung bemüht. »Das war ein klasse Fußballabend, den aus Gladbacher Sicht jeder genossen hat«, sagte Hecking. »Aber für Lobhudelei können wir uns nichts kaufen.«
Der Erfolgsserie in der Rückrunde liegt harte Arbeit zugrunde. »Wir sind 125 Kilometer gelaufen, das ist momentan die Basis unseres Verteidigens«, sagte Max Eberl. Der Laufwert ist deshalb so außergewöhnlich, weil die Mannschaft die Extrembelastung der letzten Wochen einfach ›herauszulaufen‹ scheint. »Es wird irgendwann der Tag kommen, wo wir mehr rotieren müssen«, erklärte Dieter Hecking. »Heute ist es mit den 125 Kilometern nochmal gut gegangen. Im Moment scheinen wir noch das richtige Gespür zu haben.«
»Wir werden voll gefordert und es gibt in jedem Spiel genügend Widerstände«, so Hecking. »Doch wir schaffen es, diese Widerstände zu brechen. Aber wir haben auch das Spielmoment auf unserer Seite.« Die Erfolgswelle trägt die Borussen durch diese anstrengenden Wochen.
In der Liga wurde mit diesem Heimerfolg ein großer Schritt gemacht. »Mit dieser fantastischen Serie haben wir uns eindrucksvoll von den kritischen Plätzen befreit«, sagte Max Eberl. »Wir haben uns jetzt eine gute Ausgangslage geschaffen, 32 Punkte sind sehr gut. Das gibt uns das Gefühl, dass wir in der Liga noch was erreichen können.«
Europa ist wieder in Reichweite
»Es wäre toll, wenn wir es für Europa noch schaffen würden«, bestätigte Patrick Herrmann. »Aber das jetzt als Ziel auszugeben, ist etwas zu hoch gegriffen.« Auch Max Eberl trat direkt auf die Bremse: »Wir werden jetzt nicht anfangen zu träumen und wahnsinnig zu werden«. Einen gewissen Stolz konnte Eberl freilich nicht verhehlen. »Ich bin ein großer Realist, habe es aber nicht für möglich gehalten, so einen Turnaround zu schaffen, dass wir innerhalb kürzester Zeit wieder völlig befreit aufspielen.«
Der überzeugende Erfolg gegen Königsblau lässt die Borussen mit einem guten Gefühl in die Europa-League-Duelle gehen. Mehr als einen kleinen psychologischen Vorteil haben die Gladbacher allerdings nicht. »Das muss man komplett getrennt sehen«, sagte Hecking. »Es geht bei 0:0 los und es sind zwei Spiele. Was wir heute gespielt haben, kann Schalke auch. Wir haben gesehen, wie eng es zwischenzeitlich war. Das erwarte ich auch am Donnerstag auf Schalke.«
Zunächst einmal gab Hecking der Mannschaft zwei Tage frei. »Sie sollen auch mal andere Dinge sehen als nur Hotel, Bett und Fußball«. Verdient haben es sich die Gladbacher ohne Zweifel. Am Dienstag geht es mit der Vorbereitung auf den zweiten Teil der Schalke-Trilogie weiter.