Was bitte war das denn für ein Derby? Borussia Mönchengladbach hat in der Vergangenheit schon oft in Köln gewonnen und dabei dem FC das eine oder andere Mal ordentlich eins auf die Mütze gegeben. Dennoch waren die Kräfteverhältnisse über 90 Minuten nur selten so eindeutig verteilt, wie an diesem Samstag.
»Wir haben von der ersten Minute an gezeigt, dass wir das Derby unbedingt gewinnen wollten«, sagte Dieter Hecking anschließend. Seine Mannschaft war von Beginn an Herr im Hause und die Spieldaten sprechen für sich. 74 Prozent Ballbesitz hatten die Borussen, im ersten Durchgang waren es gar 78 Prozent. 7:2 lautet das Verhältnis der Schüsse, die aufs Tor kamen.
Phasenweise erinnerte das Geschehen an Handball oder an Pokalpartien, wenn ein unterklassiges Team die übermächtigen Bayern zu Gast hat. Aber das sollte der 1. FC Köln sein, der nächstes Jahr international spielen will?
»Wir hatten die Zeit, uns den Gegner zurechtzulegen«
»Der FC spielt halt aus einer guten Ordnung und die musst du bespielen«, sagte Hecking. Dennoch dürfte auch der erfahrene Coach überrascht gewesen sein, wie hasenfüßig passiv die Gastgeber zu Werke gingen. Borussia dominierte auf ganzer Linie. »Wir waren klar die bessere Mannschaft«, unterstrich Tobias Strobl. »Unser Positionsspiel war super und wir hatten die Zeit, uns den Gegner zurechtzulegen«.
Das machten die Borussen mit viel Geduld, wobei sie sich durch die beiden Gegentore selbst in Verlegenheit brachten. »Diese Unaufmerksamkeiten dürfen natürlich nicht passieren«, monierte Kapitän Lars Stindl. Das 1:0 durch Vestergaard egalisierten die Kölner fünf Minuten später mit dem ersten Torschuss, das 2:2 erzielten sie nur drei Minuten nach dem neuerlichen Führungstreffer durch den gerade eingewechselten Traoré. »Sie hatten nur zwei Chancen und die haben sie gemacht«, ärgerte sich Tobias Strobl.
»Nach dem 2:2 hatte ich kurze Bedenken«, gab Dieter Hecking zu. »Aber wir haben diese Phase hervorragend überstanden und das Spiel wieder auf unsere Seite gezogen.« Köln traute sich nicht aus dem Schneckenhaus und spätestens mit dem defensiven Wechsel von Maroh für Clemens nach 72 Minuten war klar, dass es den Gastgebern nur darum ging, diesen bis dato erschlichenen Punkt irgendwie zu sichern.
»Wenn die Passmaschinerie mal anläuft ...«
Derweil wechselte Hecking mit Drmić einen Stoßstürmer ein. »Wir wissen schon, dass wir gut Fußball spielen und den Ball laufen lassen können«, sagte der Coach. »Es ist schwer, gegen uns zu spielen, wenn die Passmaschinerie mal anläuft. Aber wir sind nicht so richtig durchgekommen und es hat ein bisschen die Präsenz im Strafraum gefehlt. Mit Drmić ist das dann aufgegangen.«
Der Schweizer beförderte den Ball vor dem 3:2 an den Pfosten. »Klar hätte ich mir gewünscht, dass er reingeht«, meinte Drmić. »Aber irgendwann treffe ich auch wieder. Schlussendlich ist es egal, wer das Tor schießt. Hauptsache wir haben das Derby gewonnen.« »Mir wäre es lieber gewesen, wenn Josip das Tor gelungen wäre«, sagte Hecking. »Das hätte ihm gutgetan.«
So aber war es Lars Stindl vorbehalten, das einseitige Derby zu entscheiden. »Wir wollten unsere Qualitäten von Anfang an unter Beweis stellen«, sagte der Kapitän. »Uns war klar, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass wir gewinnen werden, wenn wir alles reinwerfen. Das ist uns sehr gut gelungen.«
»Wir können nach vorne nochmal voll angreifen«
Die sieben Punkte aus der englischen Woche weisen die Richtung - nach oben. »Unser primäres Ziel war es, den Abstand nach unten zu vergrößern«, erklärte Stindl. »Das ist uns gelungen. Der Nebeneffekt ist, dass wir Druck ausüben auf die Vereine vor uns.« »Wir sind wieder gut im Rennen«, ergänzte Tobias Strobl. »Wir können nach vorne nochmal voll angreifen.«
Doch zunächst einmal wurde der Befehl ausgegeben, den Derbysieg ausgiebig zu feiern. »Das haben sich alle nach diesem tollen Sieg verdient«, sagte Dieter Hecking mit einem zufriedenen Grinsen. Derweil schlichen die Kölner ziemlich kleinlaut von dannen. Kein Wunder, nach dieser enttäuschenden Derby-Performance - es war fast ein Klassenunterschied.