»Es war der erwartete Pokalfight«, sagte Dieter Hecking nach den 90 Minuten an der Essener Hafenstraße. Tatsächlich hielt das Spiel das, was man sich im Vorfeld versprochen hatte. Flutlicht, Dauerregen, eine Stimmung auf den Rängen, die nichts zu wünschen übrig ließ und zwei Mannschaften, die sich nichts schenkten.
»Ich habe ein phantastisches Pokalspiel gesehen«, erklärte Hecking. »Es war alles dabei, was du als Bundesligist in der ersten Runde gebrauchen oder auch nicht gebrauchen kannst.« Im Gegensatz zu vielen anderen Erstrundenspielen der Vergangenheit fand Borussia einen vernünftigen Zugang zum Spiel. »Wir haben die Bedingungen hervorragend angenommen«, lobte Hecking.
Die Gladbacher agierten zügig, ballsicher und beherrschten den Regionalligisten von der ersten Minute an. »Wir hatten viel Tempo im Spiel und immer versucht, über den Flügel durchzubrechen«, sagte Hecking. Vieles sah danach aus, als ob die Partie zeitig entschieden werden könnte, doch dazu hätten die Borussen zwingender im gegnerischen Strafraum agieren müssen.
»Wir müssen in unserem Tunnel bleiben«
»Wir haben gut angefangen, aber keine richtigen Chancen kreiert«, gab Oscar Wendt zu. »Die letzte Konsequenz, um in Führung zu gehen, hatten wir nicht«, bestätigte Hecking. Stattdessen schöpften die Essener Mut und überraschten die Gladbacher mit dem Führungstreffer. »Das sollte natürlich nicht passieren«, kommentierte Hecking das kollektive Fehlverhalten in der Rückwärtsbewegung sehr moderat.
»Da waren am Ende im Strafraum vier oder fünf von uns gegen einen und der macht das Tor - das darf nicht sein«, schilderte Jonas Hofmann seine Eindrücke von der Bank aus. »Die Führung hat RWE natürlich in die Karten gespielt«, sagte Hecking. Der Regionalligist glaubte plötzlich an die Chance, tatsächlich eine Sensation schaffen zu können und wurde zudem vom Publikum getragen. »Beide Fanlager haben ihre Mannschaft überragend supportet«, so Hecking.
Die Borussen hatten Probleme, Geschwindigkeit aufzunehmen und den tief gestaffelten und beherzt verteidigenden Gegner in Verlegenheit zu bringen. »Man darf dann aber auch nicht verrückt spielen«, so Hecking. »In der Halbzeit haben wir gesagt, wir müssen geduldig bleiben, das Spieltempo wieder erhöhen und das 0:1 abhaken. Wir müssen in unserem Tunnel bleiben und uns nicht durch unnötige Foulspiele selber aus dem Spiel nehmen. Das ist der Mannschaft sehr gut gelungen.«
Hofmann vollendet im zweiten Versuch
Nach dem Seitenwechsel schafften es die Gladbacher, den Druck sukzessive zu erhöhen. »Wir hatten gute Abschlüsse durch Traoré und Stindl, auch der Torwart hält stark. Doch man hat gemerkt, dass die Fehlerquote bei RWE höher wird, wenn wir dranbleiben«, so Hecking. Der Coach zog in der 66. Minute seinen Joker, indem er Jonas Hofmann für Denis Zakaria brachte.
Ausgerechnet Hofmann, der nun wahrlich nicht für seinen Killerinstinkt bekannt ist, sorgte 13 Minuten später für den überfälligen Ausgleich. Ausgangspunkt war Matthias Ginter, den es nicht mehr hinten hielt. Eigentlich wollte der Nationalspieler Doppelpass mit Raffael spielen, doch der zog eine Drehung nach innen und einen Kurzpass auf Borussias anderen Nationalspieler vor. Kapitän Stindl erfasste die Situation blitzschnell und steckte den Ball mit einem Kontakt auf den startenden Hofmann durch. Der hatte sich mit einer Klasse-Drehung in Position gebracht und schoss direkt - doch ›hoffmanntypisch‹ den Torwart an. Beim Rebound war Hofmann aber hellwach und drückte den Ball ins Netz, ehe ein Essener reagieren konnte.
»Ich bin sehr zufrieden mit dem Auftritt«
»Egal wie, Hauptsache er war drin«, zeigte sich der Torschütze anschließend erleichtert. Die Borussen fühlten sich ob ihrer Geduld belohnt, während aufseiten der Gastgeber die Köpfe gemeinschaftlich nach unten gingen. Diese Gemengelage nutzten die Gladbacher eiskalt aus. Eine klasse Balleroberung von Stindl an der Mittellinie führte zu einem Angriff über Hofmann und einer schönen Einzelaktion von Traoré mit anschließender Flanke. Hazard setzte sich energisch, wenn auch mit etwas Glück, durch und passte auf Raffael, der aus kurzer Distanz den Rest besorgte.
Innerhalb von drei Minuten hatten die Borussen das Spiel gedreht und brachten den Sieg gegen nun desillusionierte Essener über die Zeit. »Jeder wusste, dass es heute nur an uns liegt«, sagte Oscar Wendt. »Pokal ist Pokal - es geht nur ums Weiterkommen.« Dieter Hecking nahm dagegen noch einiges mehr mit aus dem ersten Pflichtspiel: »Ich bin sehr zufrieden mit dem Auftritt. Das mag vielleicht ein wenig verwunderlich sein, wenn man bei einem Viertligisten ›nur‹ 2:1 gewinnt. Aber RWE hat gut gespielt und wir haben gesehen, dass wir gar nicht so weit weg sind von einer guten Verfassung. Ich habe lieber so ein Spiel, wo wir voll gefordert und unter Druck waren. Wir nehmen viel Positives mit.«