Augsburgs Trainer Manuel Baum ist mit seinen 1,65 Metern wahrlich kein Kerl wie ein Baum, dennoch tat man gut daran, ihm unmittelbar nach dem Abpfiff der Partie im Borussia-Park aus dem Weg zu gehen. Er stürmte durch den Spielertunnel Richtung Kabine, schlug mit der Faust gegen die Wand und brüllte lauthals ›Scheiße‹.
In letzter Sekunde hatten die bayerischen Schwaben den Ausgleich kassiert und verpassten damit einen großen Schritt in Richtung Klassenerhalt. Nachvollziehbar, dass Baum sauer war. Sein Trainerkollege Dieter Hecking war weitaus weniger emotional mitgenommen, gleichwohl fand der Ausruf von Baum wohl insgeheim die Zustimmung des Gladbacher Coachs. »Es war ein schlechtes Spiel von uns«, sagte der 52-Jährige.
Hecking hatte vor der Partie angekündigt, dass es eine zähe Angelegenheit werden könnte und Geduld vonnöten sei. Genauso kam es. Augsburg verschanzte sich tief in der eigenen Hälfte, ließ die Borussen machen und wartete auf Kontermöglichkeiten. »In der ersten Halbzeit haben wir es ordentlich gemacht«, schilderte Max Eberl seine Eindrücke. »Wir hatten einige Aktionen, wo wir gut über die Flügel gekommen sind.«
»Es ist das passiert, was nicht passieren durfte«
Doch wie so oft fehlte innerhalb der Box der Abschluss. »Wir müssen das konsequenter ausspielen, wenn wir gewinnen wollen«, monierte Hecking. Das Problem der fehlenden Zielstrebigkeit vor dem gegnerischen Tor ist nicht neu und zieht sich durch die gesamte Saison. Zumal zwei Spieler aus dem ›ersten Sturm‹ seit Wochen ausfallen. »Die Qualität von Raffael und Hazard fehlt, das ist klar«, sagte Hecking. »Aber wir haben es in anderen Spielen ohne sie schon besser gemacht.«
Hecking umschrieb die Gladbacher Bemühungen als »Stückwerk«. »Wenn du mal in Führung gehst, muss Augsburg öffnen und du kriegst die Räume. Aber das ist uns nicht gelungen«, ärgerte sich der Trainer. Augsburg setzte derweil mit zunehmender Spieldauer immer wieder offensive Nadelstiche. »Wir haben fast nie die Tiefe gefunden und uns keine zwingenden Torchancen herausgespielt«, sagte Yann Sommer. »Augsburg hatte heute mehr.«
Zunächst hielt Sommer noch prächtig gegen Finnbogason, doch beim 0:1 sah der Schweizer im Verbund mit den Innenverteidigern nicht gut aus. »Es ist das passiert, was nicht passieren durfte«, kommentierte Hecking den Gegentreffer. »Das Tor war absolut vermeidbar.«
»Gerade da hätte man ein bisschen Support gebraucht«
Die Auswirkungen der Augsburger Führung waren offensichtlich. »Mit dem Tor haben sie uns einen sehr tiefen Schlag versetzt«, resümierte Max Eberl. »Da sind bei den Jungs die Klappen runtergegangen.« Was dann folgte, war das eher zaghafte Bemühen, das Spiel zu drehen. »Wir hatten nicht die richtigen Ideen, haben uns schwergetan«, sagte Hecking. Eberl ergänzte: »Da waren keine fußballerische Brillanz und keine Leichtigkeit. Ein stückweit ist das für mich erklärbar in dieser Saison.«
In dieser Phase machte sich dann auch der fehlende Support bemerkbar. »Manchmal wünsche ich mir, dass auch in einer schwierigen Situation mehr von den Rängen kommt«, sagte Yann Sommer. »Wir brauchen die Unterstützung.« Doch im Borussia-Park blieb es still, es gab keine Wechselwirkung zwischen Mannschaft und Publikum, eine Aufholjagd zu starten. Ab der 80. Minute verließen die Zuschauer in Scharen das Stadion.
Die angesichts der Wichtigkeit der Partie peinliche Performance der Fans stand im Zusammenhang mit dem Boykott, den die Ultras veranstalten. So fehlte nicht nur der Sing-Sang, sondern auch die Koordination in der Kurve. »Die Zuschauer haben versucht, Atmosphäre zu schaffen. Das ist gerade zu Beginn auch gelungen«, schilderte Max Eberl seine Eindrücke. Doch je zäher das Spiel wurde, desto weniger rafften sich die Fans dazu auf, Anfeuerungen in Einklang zu bringen. »Wenn eine Säge klemmt, dann kämpft jeder mit der eigenen Enttäuschung«, sagte Eberl. »Aber gerade da hätte man ein bisschen Support gebraucht.«
Kein Verständnis für die Ultras
Derweil reagierten die anwesenden Ultras mit hämischem Applaus in Richtung der Zuschauer, die gegen das Schweigen ankämpften. Doch auch die Gruppierung der Ultras, die sich aufgrund der vermeintlich gelungenen Verweigerung als Sieger fühlten, waren letztlich Verlierer. Sie haben deutlich gemacht, dass für sie Selbstdarstellung und Koketterie über dem Verein stehen und sich damit selbst entlarvt.
Sportdirektor Max Eberl hatte dementsprechend kein Verständnis für die Ultras. »Vorausgeschickt: Es lag nicht an der fehlenden Unterstützung, dass wir heute kein gutes Bundesligaspiel gemacht haben. Aber es ist schade, dass die Wichtigkeit eine andere ist, als das Spiel und das zu Ende bringen einer Saison. Wir können nichts dafür, wenn ein Unglück mit der Fahne passiert. Deswegen verstehe ich nicht, dass eine Mannschaft und ein Verein abgestraft werden sollen. Warum?«
»Wir sind noch im Rennen«
Die Mannschaft rettete mit viel Glück und ohne nennenswerte Unterstützung von außen in letzter Sekunde das Remis. »Mit dem Punkt kann ich heute zufrieden sein«, sagte Dieter Hecking. »Mit der Leistung natürlich nicht.« Zumindest hält der eine Zähler die Optionen in Richtung Europa offen. »Wir sind noch im Rennen«, sagte Yann Sommer. »Die Chance ist noch da. Wir müssen die letzten beiden Spiele gewinnen.«
Dazu braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Borussen. Max Eberl formulierte es so: »Ich wünsche mir, dass wir in den letzten beiden Spielen alle gemeinsam versuchen, etwas Großes zu erreichen und alle Eitelkeiten hinten anstehen zu lassen.« Sonst wird es, wie am Samstag, eine Menge Verlierer geben.