Martin Hinteregger hinterlässt zweifellos Eindruck. Es ist zwar nicht so, dass sich die Sonne in Belek verdunkelte, als der Österreicher erstmals den Trainingsplatz betrat. Ein Riese ist der 23-Jährige mit seinen 1,84 Meter nicht, aber er ist schon ordentlich ›breit‹. Ein Innenverteidiger, den so leicht nichts umwirft.
Das zeigte er kurz darauf bei den ersten Spielformen während des Trainings. Er ging robust zur Sache, grätschte Thorgan Hazard blitzsauber ab und hielt mehrmals gut dagegen. Genauso trat der Blondschopf nach einer Flanke ein ›Luftloch‹ und musste sich im schweizerisch-österreichischen 1:1- Duell gegen Josip Drmić geschlagen geben - Drmić erhielt für seinen schönen Treffer berechtigten Applaus der Fans.
Selbstredend lässt eine erste ernsthafte Trainingseinheit - am Samstagnachmittag stand Fußballtennis auf dem Programm - keine seriöse Qualitätseinschätzung zu. Doch von der Klasse des Nationalspielers aus Salzburg sind alle überzeugt: Borussias Verantwortliche und der Spieler selbst.
»Ich bin in der Spieleröffnung sehr gut, sehr zweikampfstark und habe ein sehr gutes Stellungsspiel«, schilderte Hinteregger selbstbewusst seine Stärken. Sportdirektor Max Eberl legte nach: »Mit seiner Spielweise, seiner Spieleröffnung mit dem linken Fuß ist er eine Bereicherung für unseren Kader«.
Auch Coach André Schubert hält viel von seinem neuen Abwehrmann. »Er ist ein Spieler, der hoch verteidigen und auch in 1:1-Situationen mit einer hohen Geschwindigkeit gegenhalten kann. Er hat eine gute Spieleröffnung und kann linker Innenverteidiger, linker Verteidiger in der Dreierkette oder möglicherweise auch Linksverteidiger in der Viererkette spielen«.
Eine längere Eingewöhnungszeit für den Neuzugang erwartet Schubert nicht. »Der Prozess der Integration ist in ein paar Tagen fertig. Das ist nicht so kompliziert, er wird sich schnell zurechtfinden«. Wobei der Sprung aus der österreichischen Liga in Bundesliga nicht zu unterschätzen ist, wie Max Eberl betonte: »Es ist eine Herausforderung, Woche für Woche auf dem hohen Niveau zu spielen. Das wird er lernen«.
Diese Herausforderung war auch ein Grund, warum Hinteregger Salzburg nach »fünf tollen Jahren« verlässt. »Es war schwierig, jedes Spiel 100% motiviert zu sein, wenn man nicht international spielt. Es ist Zeit für den nächsten Schritt und der ist mit Gladbach für mich optimal. Ich hatte ein paar Probleme im letzten halben Jahr, mit dem Trainer hat es nicht so funktioniert, wir haben nicht gut harmoniert«. Zudem eckte Hinteregger durch diverse ›Aktivitäten‹ außerhalb des Platzes und einigen forschen Äußerungen mehrfach an. »Ich war früher jung und dumm. Ich habe sicher zu oft die ›Pappen‹ aufgerissen. Daraus habe ich gelernt«.
Borussias Verantwortliche sind sich jedenfalls sicher, kein ›faules Ei‹ ins eigene Nest zu legen. »Wir haben Martin sieben Jahre beobachtet«, sagte Max Eberl. »Er hat großes Potential und passt in das Profil, das wir uns vorgestellt haben«. Dass Hinteregger seine nicht ganz so astreine Vita trocken kommentierte und für erledigt erklärte, nahm Eberl mit einem breiten Grinsen zur Kenntnis. »Mit einem Satz alles weggebügelt - das ist auch eine Qualität«.
»Martin ist ein guter Vorgriff auf das, was im Sommer gekommen wäre«, sagte Eberl. Borussia einigte sich mit RB Salzburg nach »harten, aber fairen Verhandlungen« (Eberl) auf ein Leihgeschäft bis Sommer mit Kaufoption. Dieses Konstrukt ist jedoch nicht als ›Testlauf‹ geplant. »Wir wissen schon, was wir kriegen«, sagte Eberl. »Wir haben mit Martin einen klaren Plan. Es ist ein tolles Projekt mit einem Spieler, der hungrig ist. Wir sind ein hungriger Verein und solche Spieler brauchen wir«.
Für Martin Hinteregger war Borussia »die erste Wahl«. »Als Gladbach gekommen ist, habe ich nicht lange überlegen müssen«. Die (etwas euphorische) Aussicht auf die Champions League, aber vor allem die Pläne der Borussen mit ihm sorgten für eine schnelle Entscheidung. »Es war klar: Wenn Gladbach mich haben will und kann, dann gibt es nur Gladbach«.
»Wir haben die Entscheidungsgewalt und wenn wir etwas tun, sind wir davon zu hundert Prozent überzeugt«, unterstrich Max Eberl. »Martin hat knapp 200 Pflichtspiele auf hohem Niveau absolviert und hat großes Potential«.
Damit das schnell abgerufen werden kann, wurde Hinteregger im Trainingslager bei seinem Landsmann Martin Stranzl einquartiert. Beide kannten sich zwar bislang nicht, aber nun sollen sie gemeinsame Sache machen. »Martin Stranzl ist in diesem halben Jahr verdammt wertvoll für mich«, sagte Hinteregger. »Er will mir helfen und ich nehme diese Hilfe gerne an. Ich kann sehr viel von ihm lernen, bei dem hohen Niveau, auf dem ich jetzt spielen und trainieren werde«.
Neben der Kennenlernphase dürfte Hinteregger in den nächsten Tagen noch ein paar ›Extrabehandlungen‹ bekommen. Defizite bei der »körperlichen Fitness« räumt der Spieler selbst ein und auch André Schubert wird hier ansetzen: »Konditionell muss er schnell den Anschluss finden«, sagte der Coach. Damit Martin Hinteregger zum Ligaauftakt bereit ist.