Nachdreher aus dem Borussia-Park

Ein glücklicher Moment, der etwas auslösen kann

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Doch noch ein schöner Tag im Borussia-Park (Foto: Norbert Jansen - Fohlenfoto)

Borussia Mönchengladbach gewinnt durch ein Tor tief in der Nachspielzeit mit 1:0 gegen Union Berlin. Der Zeitpunkt des Tores war glücklich, die Leistung - primär in der zweiten Halbzeit - grenzwertig und dennoch kann dieser Moment bei Borussia etwas auslösen. Und ein klein wenig gerechter fühlt sich der Fußball für die Gladbacher jetzt auch an.

Die Partie im Borussia-Park befand sich in der Schlussphase der regulären Spielzeit, als auf den Tribünen deutlich sichtbare Bewegung aufkam. Eine Vielzahl der Zuschauer strebte mit grummeligen Mienen den Ausgängen entgegen. Sie hatten genug von diesem vor allem im zweiten Durchgang öden Fußballspiel. Hier die Gladbacher Borussen, die zwar wollten, aber keine Lösung fanden und dort die Unioner, denen es nur darum ging, das Spiel zu zerfleddern und Gegner wie Publikum gleichermaßen zu frustrieren. 

Alles war ausgerichtet auf ein dem Geschehen auf dem Platz entsprechendes trostloses, torloses Remis. Allenfalls stand noch zu befürchten, dass die Berliner bei einer ihrer wenigen Offensivaktionen noch ein Glückstor schießen und damit dem ganzen Elend noch die Krone aufsetzen würden. Die Nordkurve schmetterte zwar geschlossen und ausdauernd den ‘Alez-Alez-Alez’-Gesang, der zwar schön anzuhören, aber nun auch nicht der klassische Soundtrack ist, um eine letzte Druckphase der Mannschaft in der Nachspielzeit zu befeuern. Entsprechend klang diese Untermalung angesichts der unzulänglichen Versuche der Spieler auf dem Platz schon fast ein wenig nach Hohn und Spott. 

»Der Rest war Emotion pur«

Doch dann kam dieser eine Moment, der auf einen Schlag alles veränderte. In der sechsten Minute der Nachspielzeit flankte Robin Hack links aus dem Halbfeld in den Strafraum. »Ich habe den Ball einfach rein geschlagen«, sagte Hack später. Mit Kleindienst und Čvančara waren zwei potenzielle Abnehmer in der Box und so wurde aus der mit dem Mute der Verzweiflung geschlagenen Flanke plötzlich ein Geniestreich. Tomáš Čvančara, seit Monaten neben der Spur und von vielen schon als millionenschwerer Fehleinkauf abgestempelt, wuchtete den Ball per Kopf zum Siegtreffer in die Maschen.

»Der Rest war Emotion pur«, sagte Hack mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Es hat zwar in den zwanzig Jahren im Borussia-Park schon lautere „Emotions-Detonationen“ gegeben, aber im Kalenderjahr 2024 kam allenfalls das zwischenzeitliche 3:2 von Robin Hack im Derby im März an diesen Ausbruch heran, den Čvančaras Kopfball auslöste. Wenig später tanzten die Spieler vor der Nordkurve und feierten den ersten Heimsieg der Saison und gleichzeitig den ersten Dreier im eigenen Stadion seit Februar. 

»Dreckig heißt nicht unverdient«

Wo man diesen Erfolg einsortieren muss, daraus machte anschließend niemand einen Hehl. »Es war ein dreckiger Sieg«, sagte Sportgeschäftsführer Roland Virkus. »Aber in unserer Situation benötigst du genau solch einen Sieg. Wir haben hier richtig gute Spiele gehabt und holen keine Punkte - dann müssen wir uns für so einen Sieg nicht entschuldigen. Und dreckig heißt nicht unverdient.«

Tatsächlich war der Sieg der Borussen verdient, was aber weniger an der eigenen Performance lag, sondern vielmehr an der Spielweise des Gegners. In der ersten Viertelstunde war Union das aktivere und bessere Team, doch danach fanden sie sich immer mehr in der Rolle des Spielverderbers ein. Es wäre wirklich unverdient, wenn die 75-minütige Fußballverhinderung der Köpenicker mit einem oder gar drei Punkten belohnt worden wäre. 

Berliner Zeitschinderei konsequent geahndet

Dass sich Bo Svensson im Nachgang über die üppige Nachspielzeit von acht Minuten echauffierte, mag aus seiner Sicht verständlich sein, ging aber objektiv gesehen an der Realität vorbei. Auch wenn man es Schiedsrichter Schlager aufgrund der teilweise eigenartigen Spielleitung nicht unbedingt zugetraut hätte, so war die Bemessung der Nachspielzeit letztlich nur konsequent. Es gab zum einen längere (notwendige) Behandlungspausen, aber auch mehrere objektiv als Zeitschinderei der Köpenicker zu erkennende Unterbrechungen, die letztlich auch diese acht Minuten Nachspielzeit rechtfertigten. 

Aus Gladbacher Sicht fühlt sich der Fußball seit dem späten Samstagnachmittag ein Stückchen gerechter an, nachdem man zuletzt mehrfach mit dem Schicksal hadern musste. Die drei Punkte gegen einen unmittelbaren Konkurrenten sorgen für mehr Ruhe und drängen aufkommende Selbstzweifel etwas zurück. Fatal wäre es jedoch, sich nun selbst Sand in die Augen zu streuen und zu verdrängen, dass man bis zu diesem entscheidenden Moment in der Nachspielzeit das fußballerisch schlechteste Saisonspiel abgeliefert hat.

 


von Marc Basten
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