Als Dortmunds Trainer Nuri Şahin bei der Pressekonferenz nach dem 1:1 in Mönchengladbach auf dem Podium saß und mit ernstem Blick behauptete, Borussia Dortmund habe in Mönchengladbach ein gutes Spiel gemacht, wurden im Raum einige Augenbrauen hochgezogen. Auch als Begleiter der Gladbacher Borussia musste man sich fragen, ob Şahin das ernst meinte. Da war es wohltuend, dass Şahins Kollege Gerardo Seoane bei seiner Analyse deutlich näher an der Wahrheit war, als er seine Mannschaft für die Offensivleistung tadelte und die vielen technischen Fehler und falschen Entscheidungen offen ansprach.
Während man auf Gladbacher Seite mit Verweis auf die individuell vielleicht etwas eingeschränkte Qualität noch etwas Nachsicht hätte walten lassen können, wenn mal wieder ein Ball unsauber gespielt wurde, sieht das bei Dortmund etwas anders aus. Für eine Mannschaft, die in dieser Besetzung den Anspruch haben muss, ein ernsthafter Bayern-Verfolger zu sein, war das gezeigte Niveau extrem ernüchternd. Umgekehrt muss man den Gladbachern das Kompliment aussprechen, dass sie Dortmunds Individualisten im Kollektiv weitgehend neutralisierten.
Mannorientiertes Deckungsverhalten
Der Matchplan von Gerardo Seoane war jedenfalls passend. Die zunächst überraschende Nominierung von Elvedi anstatt von Friedrich fand schließlich ihre Berechtigung. Elvedi hatte den Auftrag, auf links durchzuschieben und Beier zu übernehmen, während Linksverteidiger Ullrich aufrückte, um den offensiven Dortmunder Außenverteidiger Ryerson einzubremsen. Für dieses Vorhaben war Elvedi tatsächlich geeigneter als Friedrich. Und so betonte Seoane anschließend, dass es eine taktische Maßnahme gewesen sei und nichts mit den Leistungen von Friedrich zu tun hatte.
Die Fohlen verteidigten diszipliniert und sehr mannorientiert. Das war auch einer der Gründe, warum Kevin Stöger in der zentralen Rolle spielte und Plea auf die linke Seite ausweichen musste. Stögers Deckungsverhalten gegen Nmecha, zuletzt einer der stärksten Dortmunder, war ein wichtiger Faktor. Dortmund kam im Verlauf des Spiels zwar zu einigen Halbchancen und hatte neben dem Tor, als Scally und Honorat gegen Gittens nicht gut aussahen, durch Guirassy noch eine hundertprozentige Chance, doch insgesamt machte es Gladbachs Defensivverbund sehr ordentlich.
Eine Reihe von Stockfehlern auf beiden Seiten
So entwickelte sich ein sehr zerfahrenes Spiel, in dem sich beide Teams intensiv bearbeiteten. Es gab sehr viele Unterbrechungen und durch eine Reihe von Stockfehlern auf beiden Seiten kam nur in ganz wenigen Phasen so etwas wie Spielfluss auf. Positiv aus Gladbacher Sicht, dass man die Dortmunder kaum ins Rollen kommen ließ und negativ, dass man sich selbst so oft im Weg stand, wenn es mal nach vorne ging. So war das Niveau dieses Topspiels doch recht überschaubar.
Es lebte letztlich von der Intensität, der Spannung und den Emotionen. Und den Momenten, in denen Schiedsrichter und VAR auf den Plan traten und im Spielfilm des Abends die Regie übernahmen (siehe Extra-Artikel). Am Ende konnten die Gladbacher mit dem Verweis auf das eigentliche Potenzial der Dortmunder das Remis zu Recht als zufriedenstellend werten. Gleichzeitig muss man klarstellen, dass dieser BVB nur auf dem Papier eine Spitzenmannschaft war und mit etwas saubererem Offensivspiel mehr drin gewesen wäre.
von Marc Basten