»Was ist da los?« Jeder, ob Fan, Spieler oder Verantwortlicher bei Borussia Mönchengladbach, wird in letzter Zeit mit dieser oder einer ähnlichen Frage konfrontiert worden sein. Eine abschließende seriöse Antwort wird niemand gefunden haben, ist die aktuelle Situation doch das Ergebnis vieler, teils nur kleiner Details, die (noch) nicht zusammenpassen.
Dass nach drei Spielen ohne Punkte eine gewisse Aufgeregtheit herrscht, ist ein Stück weit verständlich, doch manche Reaktionen und Schlussfolgerungen schießen deutlich über das Ziel hinaus. Es gibt tatsächlich Stimmen, welche die sportliche Leitung anzählen wollen. Allen Ernstes.
Fernab derartiger Auswüchse bot die Länderspielpause Gelegenheit, die Fakten zu ordnen. Wer die Aussagen von Max Eberl vom »Ziel Einstelligkeit« als pures Understatement abgetan hat, wird umdenken müssen. Nicht zuletzt die Zustände während des endlich geschlossenen Transferfensters zeigen, dass Borussia Mönchengladbach zwar nominell aufgrund des sensationellen Tabellenplatzes in der letzten Saison ein Spitzenteam ist, im nationalen und internationalen Vergleich dessen ungeachtet eine kleine Nummer ist und bleibt.
In der abgelaufenen Spielzeit hat Borussia am Limit gepunktet. Wer die Partien nochmal Revue passieren lässt, wird feststellen, dass man die Gegner keineswegs reihenweise aus dem Stadion geschossen hat. Es waren fast ausnahmslos enge Duelle mit zumeist erfreulichem Ausgang für die Fohlenelf. Weil viele Details im richtigen Moment gepasst haben.
Das ist dem Team in den ersten drei Saisonspielen abgegangen. Viele Zahnrädchen greifen noch nicht richtig ineinander. Es ist zu einfach, alles auf die jungen Innenverteidiger, den Ausfall von Stranzl oder den Abgang von Kruse und Kramer zu schieben. Auch mit Stranzl hat Borussia in der letzten Saison verloren, vor Kramers WM-geschädigter Hinrunde gruselt es einem noch heute und Kruse wollten nicht wenige wegen der anhaltenden Torflaute aus dem Borussia-Park jagen.
Zudem ist das Gerede von fehlenden Führungsspielern absurd. Natürlich fehlt ein Martin Stranzl mit seiner Erfahrung. Aber es ist nicht so, dass die anderen plötzlich alles vergessen, nur weil Stranzl ihnen nicht die Richtung vorgibt. Wer unter Lucien Favre täglich trainiert, der weiß, was er zu tun hat. Und wenn er es nicht kapiert, wird ihn auch kein Martin Stranzl retten können.
Borussia hätte gegen Mainz nicht verlieren, bei normaler Abschlussquote sogar gewinnen müssen. In Bremen gab es zwei Standardgegentore und gleichzeitig ließ man beste Gelegenheiten ungenutzt. Eigentlich war ein Punkt an der Weser mehr als verdient. Letztlich fehlten Kleinigkeiten und das gewisse Selbstverständnis, das man sich über Erfolgserlebnisse erarbeitet.
Lucien Favre wirkt in diesen Tagen konzentriert, aber nicht verkrampft. Er weiß, dass er die Details mit der Mannschaft erarbeiten kann und dass es keine grundsätzlichen Missstände sind, die sich nicht beheben lassen. Wohlgemerkt, wenn es darum geht, die Mannschaft in der Einstelligkeit zu etablieren. Wer den Anspruch hat, dass Borussia ganz oben mitspielen muss, der wird zwangsläufig enttäuscht werden.