Als Håvard Nordtveit in der 76. Minute den erlösenden Führungstreffer erzielte, erbebte der Borussia-Park. Der Jubel der Fans erfolgte mit der gleichen Wucht, wie Nordtveits Schuss im Wolfsburger Tor landete. Dieser Treffer war sinnbildlich für das Spiel der Fohlenelf. Wie sich Raffael an der Seitenlinie trotz Doppelfoul von Klose aufrappelte und weiterlief, wie er den mitgelaufenen Nordtveit perfekt bediente und der Norweger im Fallen einfach drauf hielt und alle in Ekstase versetzte - einfach großartig.
Sogar André Schubert, bisher eher ein verhaltener Jubler, sprintete enthusiastisch auf den Platz. »Das sind die Emotionen schon etwas mit mir durchgegangen«, sagte er anschließend. Die Wichtigkeit des Tores war es, die nicht nur den Trainer aus den Socken haute. »Die Mannschaft hat sich so reingehangen und ich dachte nur, ›hoffentlich nehmen sie heute was Zählbares mit‹. Es wäre echt bitter gewesen, bei so einem Aufwand«. Und dann knallte Nordtveit den Ball ins Eck.
Drei Minuten später machte Ibrahima Traoré den Sack zu. »Ibo ist pfeilschnell«, schilderte Lars Stindl die Situation, die er mit einem Traumpass einleitete. »In dem Moment sehe ich, dass er in den Sprint geht und versuche, ihn da einzusetzen«. Das Anspiel von Stindl kam perfekt, Traoré rannte los. »Ich habe nicht lange drüber nachgedacht, wie ich den reinmache«, erzählte ›Ibo‹. »Ich wollte einfach vor Rodriguez kommen und dann habe ich nicht lange überlegt«.
»Der Trainer verlangt, dass wir an unsere Grenzen gehen«
Innerhalb von drei Minuten entschieden die Borussen verdientermaßen ein äußerst kompliziertes Spiel. »Die letzten elf Tage waren sehr intensiv, das hat man der Mannschaft auch angemerkt«, meinte Sportdirektor Max Eberl. »Am langen Ende hat uns der Wille den Sieg gebracht«.
André Schubert hatte sein Team nahezu unverändert gelassen, Traoré für Herrmann war der einzige Wechsel bei den Feldspielern gegenüber der kräftezehrenden Partie gegen Manchester City am Mittwoch. Da war die Fohlenelf über 125 Kilometer gelaufen.
»Unter anderen Umständen hätten wir sicher mehr rotiert«, sagte Schubert. »Aber aufgrund der besonderen Situation wollten wir unbedingt Stabilität und Sicherheit bekommen und nicht mehr als nötig wechseln«. Ein Spiel mit dem Feuer, doch es ging gut. »Der Trainer verlangt sehr viel von uns, dass wir an unsere Grenzen gehen«, erklärte Traoré. »Das kostet viel Kraft, aber es passt sehr gut zu uns«.
Nach Ballgewinn geht die Post ab
Fakt ist, dass sich unter Schubert die Anzahl der intensiven Sprints deutlich erhöht hat. Auch unter Favre gehörte Borussia schon zu den laufstärksten Teams der Liga, doch nun sind die Langstreckenläufer viel öfter mit Highspeed unterwegs. »Wir schalten jetzt schneller um«, erklärt Schubert. »Nach Ballgewinn versuchen wir, sehr schnell Richtung gegnerisches Tor zu kommen. Dadurch haben wir eine höhere Anzahl an Sprints. Wenn wir losmarschieren, haben wir eine hohe Qualität und das ist für den Gegner schwer zu verteidigen«.
Bleibt die Frage, ob die Mannschaft dies - selbst wenn mehr gewechselt wird - in den folgenden englischen Wochen durchhalten kann. »Warum nicht?«, entgegnet Schubert. »Wir haben es jetzt in vier Spielen innerhalb von elf Tagen geschafft und einen echten Substanzverlust habe ich nicht bemerkt«. Es sei natürlich eine Umstellung mit den vielen Sprints, aber das könne man trainieren. Und momentan sei »jedes Spiel das beste Training«.
»Aber es ist ja auch nicht so, dass wir 90 Minuten nur vorne drauf gehen. Wir wollen den Rhythmus bestimmen, wann wir draufgehen und wann wir uns fallen lassen«. Darüber hinaus sieht Schubert noch Steigerungsbedarf, u.a. dem Defensivverhalten. »Die Abstimmung in der Defensive muss in allen Bereichen besser werden. Den einen oder anderen Laufweg können wir uns sparen, aber momentan müssen wir den machen, weil die ganzen Rädchen noch nicht so hundertprozentig ineinandergreifen. Wir verteidigen jetzt ein bisschen anders und man sieht schon, dass wir noch kompakter sind, besser und klüger attackieren. Aber wir müssen z.B. die Rückräume noch besser verteidigen. Wenn wir schnell nach vorne spielen, dass wir direkt nachschieben und die Räume zustellen«.
»Die Karten werden neu gemischt«
Daran will Schubert mit der Mannschaft künftig arbeiten. Dagegen lässt er seinen Offensivakteuren nahezu alle Freiheiten. »Das Freilaufverhalten ist wichtig und das machen Lars und Raffa annähernd perfekt«, so Schubert. »Sie haben sich gesucht und gefunden, bewegen sich gut in den Räumen. Sie gehen in der richtigen Sekunde zum Ball, gehen tief und schütteln den Gegner ab. So viel muss ich mit den beiden gar nicht reden. Außer, dass ich ihnen sage: ›Ich vertraue euch‹.
In Stein gemeißelt ist das Sturmduo Raffael und Stindl allerdings nicht. Nach den Sofortmaßnahmen infolge der plötzlichen und unerwarteten Übernahme kann Schubert nun erstmals richtig mit der Mannschaft trainieren - auch wenn einige Nationalspieler unterwegs sind. »Die Karten werden neu gemischt«, bestätigt Schubert. »Es ist keiner hinten runter gefallen. Ich muss jetzt in den nächsten Tagen auch ein Gefühl für die anderen Spieler bekommen«.
Mit den drei Siegen und dem imponierenden Auftritt gegen ManCity im Rücken kann André Schubert seine Arbeit ohne großen Druck weiterführen. »Die drei Siege in der Liga tun uns unglaublich gut«, sagte Max Eberl. »Die geben uns allen erstmal die Ruhe, die wir brauchen«.