Dass der Fußball schnelllebig ist, dürfte keine neue Erkenntnis sein. Es gibt immer wieder Situationen, in denen sich die Lage der Dinge rasend schnell verändert. Håvard Nordtveit liefert das jüngste Beispiel. Vor einem halben Jahr hatte der Norweger den Status ›Ergänzungsspieler‹ oder ›Backup‹, jedenfalls sah ihn der damalige Trainer Lucien Favre nicht in der Stammelf.
Dass der im Sommer auslaufende Vertrag des 25-jährigen dringend verlängert werden müsste, stand jedenfalls nicht mit Priorität auf der To-Do-Liste von Sportdirektor Max Eberl. Im <link http: torfabrik.de profis borussia datum die-gelegenheit.html external-link-new-window externen link in neuem>TORfabrik-Artikel vom 2. Juli 2015 hieß es über Nordtveit: ›Seine Entwicklung über die Jahre geht allerdings nicht konform mit dem Aufschwung, der bei Borussia überall sichtbar wird. Nordtveit ist einer der wenigen, dessen Leistungskurve während der Zusammenarbeit mit Lucien Favre nach unten zeigt‹.
Nun ist Lucien Favre in Mönchengladbach seit Ende September Geschichte. Unter André Schubert erfuhr Nordtveit eine neue Wertschätzung. Zuletzt durfte er sogar auf seiner Wunschposition als Innenverteidiger bzw. in der Dreierkette ran. Plötzlich ist Nordtveit gefragt - und das nicht nur kurzfristig, sondern auch über die Saison hinaus. So zumindest der Wunsch der sportlichen Leitung von Borussia.
Doch die Vertragsverlängerung gestaltet sich schwieriger als zunächst angenommen, sie wird sogar immer unwahrscheinlicher. »Wir wollen unglaublich gerne mit Håvard verlängern und werden alles daransetzen, dass er bleibt«, sagt Max Eberl. Doch die Geldquellen auf der Insel sprudeln verlockend. »England spielt eine sehr große Rolle«, weiß Eberl. »Wir können die nicht mit finanziellen Mitteln überbieten, wir können nur mit unseren Qualitäten ›wuchern‹. Das weiß Håvard. Wir verhandeln seit Anfang Dezember mit ihm und er muss für sich eine persönliche Entscheidung fällen. Es ist sein Entschluss, den wir abwarten müssen«.
Noch zaudert Nordtveit. »Es gibt keinen neuen Stand«, sagte er am Sonntag in Belek. »Ich habe noch ein halbes Jahr Vertrag und spiele Fußball wie immer«. Ausschließen, dass er das Gladbacher Angebot annimmt, will er nicht. »Ich kenne den ganzen Klub gut, in den fünf Jahren habe ich viel erlebt. Die guten und schlechten Zeiten habe ich mitgemacht. Als Fußballer habe ich mich hier weiterentwickelt«.
Dass England lockt, verhehlt Nordtveit nicht. »Für ganz Skandinavien ist England ein Big-Deal. In Norwegen sehen viele die Bundesliga, aber die Premier League läuft Tag und Nacht«. Allein deshalb wäre der Schritt auf die Insel folgerichtig, von den Verdienstmöglichkeiten ganz zu schweigen. Aber Nordtveit plagen auch Zweifel, schließlich hat er vor seiner Gladbacher Zeit bei Arsenal London schon mal die Luft der großen englischen Fußballwelt geschnuppert.
»Ich war schon da, habe aber nie ein Premier-League-Spiel erlebt - nur von der Bank aus. Damals habe ich es dort nicht geschafft. Jetzt bin ich ein bisschen älter und habe noch ein paar Jahre als Fußballer vor mir. Vielleicht werde ich es schaffen, vielleicht nicht«.
Neben der Verlockung England ist für Nordtveit die Festlegung auf eine Position in der Abwehrkette wichtig. »In der Nationalmannschaft habe ich die Play-Off-Spiele zur Europameisterschaft nicht gespielt, weil ich im Verein eine andere Position hatte«. Flexibilität, so Nordtveit, sei war gut und schön und die Erfahrung als 6er helfe einem Verteidiger. Doch »für die Karriere ist es besser, eine feste Position zu haben und dort auch zu spielen«.
André Schubert signalisiert Nordtveit zumindest, wie er mit ihm plant. Obwohl der Norweger aufgrund der Drei-Spiele-Sperre von Granit Xhaka zum Rückrundenauftakt von fast allen Beobachtern als Vertreter des Schweizers im Mittelfeld gesehen wird, ließ Schubert Nordtveit im Training in der Dreierabwehrkette neben Christensen und Hinteregger spielen.
Ob das Gladbacher Gesamtpaket aus finanzieller und sportlicher Wertschätzung ausreicht, um den Norweger zu halten, bleibt abzuwarten. Der Ball liegt bei Håvard Nordtveit.