Das rheinische Derby ist noch keine Woche her, doch es fühlt sich an, als ob es in einer anderen Epoche stattgefunden hätte. Die Erschütterung des Favre-Rücktritts und der fulminante Auftritt der Mannschaft gegen Augsburg haben Gladbach so richtig durchgerüttelt. Und die englische Woche bringt es mit sich, dass es keine Zeit gibt, das Geschehene nachhaltig zu reflektieren oder es sich gar setzen zu lassen.
Am Samstag um 15.30 Uhr findet in Stuttgart ein ziemlich kurioses Fußballspiel statt. Sowohl der VfB, als auch die Borussia, punkteten am Mittwoch erstmals in dieser Spielzeit. Beide Teams, so sind sich alle Beobachter einig, stehen zu Unrecht im Tabellenkeller. Die Borussen, weil sie einfach zu viel Qualität haben – die sie gegen Augsburg erstmals in dieser Saison nachhaltig zeigte – und die Schwaben, weil sie nur vergessen haben, sich für richtig guten Fußball zu belohnen.
Qualitativ dürfte es das beste Kellerderby seit langem werden. Dass der VfB sogar Topzuschlag erhebt, hat mit dieser Konstellation allerdings nichts zu tun. Borussia gehört, dem aktuellen Tabellenplatz zum Trotz, zu den nominellen Topteams der Liga. »Dass wir in den Reihen sind, wo andere Vereine Topzuschläge verlangen, ist auch Respekt uns gegenüber«, sagte Borussias Sportdirektor Max Eberl.
Interessant wird die Partie im ‚Ländle‘ auf alle Fälle. Der VfB spielt in dieser Saison unter Neu-Trainer Alexander Zorniger einen bedingungslosen Offensivfußball. Pressing bis der Arzt kommt – oder der Gegner sie auskontert. Drei Heimniederlagen in Folge brachte der neue Stil den Stuttgartern, obwohl sie jedes Mal das bessere Team waren. In Zahlen ausgedrückt: 69:25 lautete das Torschussverhältnis in den drei Spielen zugunsten des VfB, was ins absurde Torverhältnis von 2:8 mündete.
»Wir werden nicht in jedem Spiel über 90 Minuten voll vorne draufgehen«
»Wir wissen, dass Stuttgart sehr hoch presst, aggressiv spielt, den Gegner früh unter Druck setzt und mit einer wahnsinnig hohen läuferischen Intensität und vielen Sprints zu Werke geht«, sagte Borussias Interims-Coach André Schubert am Freitag auf der Pressekonferenz über den Gegner. Und damit beschrieb Schubert gleichzeitig den Stil, mit dem er sein Team zuletzt gegen Augsburg ins Rennen schickte. Gibt es also zügellosen ‚Wild-West-Fußball‘ in Schwaben?
»Wir wollen versuchen, kontrolliert Fußball zu spielen und unsere Qualitäten zu nutzen«, so Schubert. »Unser Ziel muss sein, den Rhythmus des Spiels zu bestimmen«.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Schubert sein Team mit einer abwartenden oder gar passiven Grundhaltung ins Spiel schicken will. »Die Spieler wissen, dass die Qualitäten in der Offensive liegen und sie durchaus auch aktiv verteidigen können. Natürlich werden wir nicht in jedem Spiel über 90 Minuten voll vorne drauf gehen. Wir können aus beiden Situationen heraus Tore erzielen und es ist wichtig, dass die Mannschaft das weiß«.
Den kontrollierten Fußball aus der Favre-Zeit mit einem Offensivpressing zu kombinieren, ist die Herangehensweise. Dazu gehört auch, vermehrt den Abschluss zu suchen und sich nicht um jeden Preis bis ans gegnerische Tor durch zu kombinieren. »Es geht darum, den Gegner zu bespielen, wo Räume sind. Dazu gehören Schüsse aus der zweiten Reihe genauso, wie Kombinationen in den Strafraum. Wir hatten gegen Augsburg bei allen Angriffen sehr viele Spieler vorne in der Box. Das war wichtig, denn dann bist du auch torgefährlich«.
»Wir werden läuferisch und körperlich an unsere Grenzen gehen müssen«
Neben dem, dass situationsbedingt eine richtige Mischung zwischen Kontrolle und Zwanglosigkeit gefunden werden muss, geht es auch um die Belastungssteuerung. »Wir wissen, dass uns Stuttgart mit der Spielweise alles abverlangen wird«, so Schubert. »Da werden wir läuferisch und körperlich an unsere Grenzen gehen müssen«.
So ist für den 44-Jährigen noch nicht klar, ob er mit der gleichen Mannschaft spielen wird wie gegen Augsburg. »Es geht auch darum, wie sich die Spieler fühlen. Wir müssen schauen, ob sie das mit der gleichen Intensität wiederholen können wie am Mittwoch. Alle müssen läuferisch topfit sein. Aber ich bin mir sicher: Wenn es zwei, drei, vier Umstellungen geben würde, würden die es genauso gut machen. Ich vertraue allen Spielern im Kader«.
Fehlen wird weiter Martin Stranzl und auch Tony Jantschke fällt, wie gegen Augsburg, aus. Josip Drmic war krank und könnte möglicherweise auch fehlen. Ansonsten kann Schubert aus dem Vollen schöpfen. Und er ist optimistisch, auch was die Grundstimmung im Team betrifft. »Die Spieler haben am Donnerstag alle breit gegrinst, als sie morgens in die Kabine gekommen sind. Wichtig ist, dass du das, was du machst, mit Spaß und Freude machst. Und dass du nachher sagen kannst, wir haben einen hammergeilen Fight geliefert. Ich denke, wir werden in Stuttgart mit der derselben Spielfreude und demselben Engagement zur Sache gehen«.