Stell dir vor es ist Derby und keiner geht hin. Das wird am Samstag zumindest teilweise Realität, weil ein Großteil der Borussenfans das Spiel boykottiert. Von dem (reduzierten) Kontingent von 3500 Tickets wurden 1700 verkauft, 1800 gingen zurück an den FC. Die aktive Gladbacher Fanszene hat aufgerufen, nicht nach Köln zu fahren und so ihren Protest gegen ungerechtfertigte Sanktionen auszudrücken. Es geht um die Reduzierung der Gästekarten, die zudem nur personalisiert verkauft werden dürfen. Dies ist eine Folge der Vorfälle beim letzten Derby in Gladbach, als Kölner Chaoten einen Platzsturm veranstalteten, während die Gladbacher besonnen blieben.
Die Borussenfans echauffieren sich zurecht über die Tatsache, dass sie für etwas bestraft werden, was auf Seiten der Kölner zu verantworten war. »Gegen diese unfaire Behandlung wehren sich die Fans«, erklärte Borussias Geschäftsführer Stephan Schippers am Donnerstag. »Das können wir nachvollziehen. Wir sind nicht für den Boykott, können es aber verstehen und deswegen haben wir uns dem gegenüber auch geöffnet«.
Es ist ein friedlicher Protestmarsch in Mönchengladbach geplant. »Es muss mit dem Boykott etwas erreicht werden, was dem Fußball nicht schadet, sondern weiterbringt«, forderte Sportdirektor Max Eberl. »Es will keiner ein Derby ohne Auswärtsfans«.
Die Problematik wird künftig noch für viel Gesprächsstoff sorgen, zumal es auch innerhalb der Fanszene durchaus konträre Meinungen gibt. Positiv ist, dass es zumindest kein Zerwürfnis zwischen den Teilnehmern am Boykott und den nach Köln reisenden Fans gibt.
»Wir können das schaffen, ohne Diskussion«
Die Argumentation, dass durch das Fernbleiben der Anhänger der Mannschaft geschadet wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Vor ein paar Monaten hätte man das vielleicht nicht so hoch gehangen, doch angesichts der aktuellen sportlichen Situation würde den Spielern Unterstützung von den Rängen sicher nicht schaden. »Ein Derby lebt von der Emotionalität und der Stimmung«, sagte Max Eberl. »Aber darauf müssen wir uns jetzt einstellen und das werden wir auch tun«.
Die sportliche Krise hat Mönchengladbach mit aller Wucht erfasst, doch die Protagonisten gehen vehement dagegen an. »Wir können das schaffen, ohne Diskussion«, erklärte Lucien Favre mit Nachdruck. »Auch wenn wir bis jetzt keine Punkte erreicht haben, sollten wir mit mehr Vertrauen spielen und keine Angst haben. Wir müssen unser Spiel machen, etwas wagen, den Ball fordern und nach vorne spielen. Wir können viele Mannschaften schlagen, davon bin ich überzeugt«.
Von Aktionismus angesichts der nun fünf verlorenen Pflichtspiele in Folge hält Favre nichts. »Ich arbeite genauso wie immer. Es ist keine einfache Situation für alle. Aber im Leben wie im Fußball, es kann nach unten gehen und es kann schnell nach oben gehen. Manchmal dauert es, manchmal geht es schnell. Aber man muss immer dran glauben«.
»Ich habe alle Spiele analysiert«, so Favre weiter. »Gegen Mainz und Bremen hätten wir gewinnen können, gegen den HSV waren wir überhaupt nicht gut. Die Automatismen und richtigen Bewegungen haben gefehlt und wir kriegen dumme Tore. Ein kleiner taktischer Fehler kostet sofort ein Tor. Mit viel Arbeit können wir das korrigieren, aber es braucht Zeit. Es ist wichtig, dass wir eine Mannschaft haben, die stabiler spielen kann«.
»Wir haben einen großartigen Trainer bei uns«
Über die psychische Verfassung seines Kaders macht sich Favre keine Sorgen. »Wie alle sind die Spieler nach einer Niederlage enttäuscht. Aber es kommt wieder Freude, sie können schnell lachen und Scherze machen. Wir haben sehr viele junge Spieler und sie verdauen das sehr schnell. Da bin ich ein wenig überrascht, aber ich finde das sehr gut«.
Einer aufkommenden Trainerdiskussion schob Max Eberl nochmals deutlich einen Riegel vor. »Wir haben einen großartigen Trainer bei uns, der fantastische Arbeit macht und der auch diese Situation mit uns gemeinsam lösen wird. Wir unterstützen ihn, indem wir Gespräche führen, ihm zur Seite stehen, hinter ihm stehen, vor ihm stehen. Was immer der Verein tun kann, das machen wir. Wir sind eine Mannschaft, die solche Schwankungen durchaus erleben kann. Das ist für uns jetzt nicht völlig überraschend. Wir werden unseren Weg kontinuierlich weitergehen«.
So soll passenderweise in der Domstadt der Bock umgestoßen werden. Die Voraussetzungen sind trotz der Umstände gar nicht so schlecht, schließlich sind die Borussen der absolute Angstgegner der Kölner auf der heimischen Wiese. Auch ohne große Fanunterstützung und als Tabellenletzter sind die Gladbacher für den FC ein Schreckgespenst. Die Kölner trauen dem Braten nicht, zumal sie nach der 2:6-Klatsche in Frankfurt selbst nicht so genau wissen, wohin die Reise in dieser Saison gehen wird.
Lucien Favre kann derweil wieder auf Granit Xhaka zurückgreifen, der gegen den HSV und in Sevilla schmerzlich vermisst wurde. »Man sieht es, wenn er nicht da ist«, bestätigte Favre. »Er ist eine wichtige Figur in der Mannschaft, die immer den Ball fordert. Es ist wichtig, dass er auf dem Platz steht. Er weiß, dass er Sachen korrigieren muss, vor allem seine Aggressivität. Aber er will immer gewinnen, er will immer in die Zweikämpfe gehen. Und das gefällt mir«.
Xhaka wird also definitiv in der Startelf stehen, möglicherweise auch sein Landsmann Josip Drmic. »Er hat ein paar Sachen zu korrigieren«, so Favre. »Das weiß er, das will er. Er arbeitet sehr gut«. So ein Derby wäre eine passende Gelegenheit, richtig in Gladbach anzukommen.