Es war ein Gänsehautmoment in der 84. Minute im fast ausverkauften Borussia-Park. Martin Stranzl gab nach langer Leidenszeit sein Comeback und das gesamte Stadion feierte den 35-Jährigen. »Das war ein Megaempfang, sehr emotional«, sagte der sichtlich ergriffene ›Stranzler‹ anschließend. »Ein Kompliment an die Fans - und an die Mannschaft. Sie hat es mit ihrem guten Spiel ermöglicht, dass ich zu diesem Einsatz gekommen bin«.
Als der Österreicher das Spielfeld betrat, stand es 4:1 und die Partie war entschieden. Kurz zuvor hatte es trotz einer 3:1-Führung lange nicht nach einem letztlich so klaren Erfolg ausgesehen. »Wir hatten da einen Hänger«, hatte Stranzl von der Bank aus festgestellt. »Das ist aufgrund der Spielweise und auch der Platzverhältnisse nicht verwunderlich. Aber daraus müssen wir lernen«.
Bremen entwickelte nach dem Anschlusstreffer viel Druck und die Borussen schafften es kollektiv nicht mehr, so konsequent zu verteidigen wie zuvor. »Nach dem Gegentor haben wir gebraucht, um uns wieder zu beruhigen«, bestätigte André Schubert. Dass seine Mannschaft etwas aus der Spur geriet, sei »vielleicht auch verständlich bei dem, was in den letzten 2-3 Wochen auf sie zugekommen ist«.
»Wir können den Gegner nicht über 90 Minuten voll dominieren und nichts zulassen«, zeigte Schubert Verständnis für die Schwächephase. Zumal die Spielausrichtung eine vorsichtigere Herangehensweise nicht vorsah. »Zur Pause haben wir darüber gesprochen - wir wollten uns nicht zurückziehen und verteidigen, sondern weiter nach vorne spielen«.
Das ging am Ende auf, weil Borussias Offensive an diesem Abend in blendender Verfassung war. »Heute war es überragend vorne«, lobte Yann Sommer die Kollegen. »Das war sehr effizient und mit viel Power«.
Der Grundstein des Erfolgs war daneben die Arbeit gegen den Ball, die eine Stunde lang sehr ordentlich funktionierte. »Wir haben ein gutes Gegenpressing gespielt und dem Gegner nicht viel gegeben«, bemerkte Sommer. »Die Jungs haben gezeigt, dass sie ein gutes und funktionierendes Team sind«, ergänzte André Schubert. »Sie haben stark zusammengearbeitet«.
Durch den ersten Erfolg im neuen Jahr konnte etwas Druck aus dem Kessel genommen werden. »Es war keine einfache Situation vor dem Spiel«, bekannte Yann Sommer. »Aber es war keine Krise«, so der Schweizer. »Ich hatte nie Angst, dafür ist die Mannschaft einfach zu gut«.
»Ich weiß, dass das Umfeld schnell ein bisschen unruhig wird«, sagte André Schubert. »Doch für uns war das, was zu Beginn der Rückrunde passiert ist, relativ logisch und klar nachvollziehbar. Wir hatten zum Ende der Hinrunde einen hohen Aufwand und waren nach der Pause noch nicht annähernd in der physischen Verfassung, dass wir unser Spiel auch wirklich so dominant gestalten können. Aber das wird immer besser. Unter der Woche habe ich schon gesehen, dass die Mannschaft immer präsenter, frischer und fitter wirkte. Heute war es ein weiterer Schritt«.
»Wir haben mit den Leistungen in der Hinrunde einige Begehrlichkeiten entwickelt«, so Schubert. »Aber es wird nicht so sein, dass wir Woche für Woche mal eben locker gewinnen. Wir müssen immer ans Limit gehen und dafür muss die Mannschaft auch in einer gewissen Verfassung sein«.
In blendender Verfassung ist Andreas Christensen, nicht nur wegen seiner zwei Premierentore gegen Werder. »Andreas hat bei uns fast nur Klasse-Leistungen gezeigt«, sagte Schubert. Der junge Däne, plötzlich als ›Doppelpacker‹ im öffentlichen Fokus, gab sich bescheiden. »Wichtig war heute der Sieg. Ich war zuletzt schon ein paarmal nah dran ein Tor zu machen, es musste mal klappen. Heute war der Tag. Dass es gleich zwei Treffer waren, ist umso schöner«.
So verließen alle Protagonisten am späten Freitagabend zufrieden den Borussia-Park. Nach einer regenerativen Einheit am Samstag gibt es zwei freie Tage. »Das ist keine Belohnung, wir hatten das schon vorher geplant und es hat auch nichts mit Karneval zu tun«, sagte Schubert. Wer sich ins närrische Treiben begeben will, kann dies zumindest ohne Gewissensbisse tun.