Den Höhepunkt im Westfalenstadion gab es, als die Partie bereits abgepfiffen war. Die Dortmunder Anhänger jubelten und verhöhnten die Gladbacher mit ›Döp Döp‹-Gesängen. Die Spieler schlurften nach der deutlichen 1:4-Pleite eher zögerlich in Richtung Nordtribüne, wo die zahlreichen Auswärtsfans weilten. Doch anders als vielleicht von einigen erwartet, blieb den Profis die nächste Demütigung erspart - im Gegenteil. Der Block feierte die ›Elf vom Niederrhein‹ und gab Team und Klub in bemerkenswerter Manier Rückendeckung.
»Die Fans haben uns eindrucksvoll unterstützt und nach dem Spiel toll reagiert«, sagte Max Eberl. Nach den Irrungen und Wirrungen der letzten Wochen kristallisiert sich heraus, dass der Großteil der Supporter verstanden hat, um was es geht. »Die Fans wollen, dass wir kritisch mit der Sache umgehen«, so Eberl. »Das tun wir auch, da kann sich jeder 100%ig sicher sein«.
Dass einem in Dortmund die gebratenen Tauben nicht in den Mund fliegen, war vorher klar. Trainer André Schubert stellte seine Mannschaft daher mit Priorität auf die Defensive auf und ein. Es gab eine Fünferabwehrkette gegen den Ball, bei der Korb und Wendt sich der offensiven Außenverteidiger Schmelzer und Piszczek annehmen sollten. Der Rest, inklusive Kramer und Dahoud vor der Abwehr und den drei offensiven Spielern, die sich zurückfallen lassen sollten, war für die Verdichtung der Zentrale zuständig.
Gleichzeitig sollten die eigenen Umschaltmomente genutzt werden. Nach sechs Minuten sah es so aus, als ob der Plan aufgehen könnte. Hinten wehrte man die Dortmunder Anfangsoffensive ab und der erste eigene Angriff führte zum 1:0 durch Raffael. »Da hatte ich schon das Gefühl, dass wir es heute schaffen könnten, die Balance zwischen Defensive und Offensive hinzubekommen«, sagte Eberl. »Doch der Schuss ist eine Minute später nach hinten losgegangen«.
»Nach dem Führungstor hattest du mal kurz Flügel um, aber die waren nach gefühlten 8 Sekunden wieder weg«, umschrieb es Christoph Kramer. Der postwendende Ausgleich der Dortmunder durch Aubameyangs Schuss in die Torwartecke rückte die Verhältnisse wieder zurecht. Als Piszczek nach einer Viertelstunde im Anschluss an eine Ecke die Dortmunder in Führung brachte, war der Effekt des guten Gladbacher Starts vollends verpufft.
»Wenn wir schon mal den Plan haben, tief zu verteidigen und gehen dann in Führung, sollten wir es schon hinkriegen, dieses 1:0 länger zu verteidigen«, ärgerte sich Eberl. Als Dortmund sich etwas zurückzog und nicht mehr so hoch presste, bekamen die Gladbacher mehr Spielanteile. Das sorgte für Beruhigung, Torgefahr strahlte die Borussia vom Niederrhein allerdings keine aus. »Wir haben es da nicht schlecht gemacht, aber auch nicht gut«, philosophierte Christoph Kramer.
Nach der Pause suchten die Gladbacher etwas energischer den Weg nach vorne, was sich allerdings auf die Grundordnung fatal auswirkte. Es war zwar kein so extremer Stilwechsel wie vor einiger Zeit auf Schalke, doch es reichte aus, um die Dortmunder Hochgeschwindigkeitsangreifer in Wallung zu bringen. Schon vor dem 3:1, das ursächlich Elvedis Fauxpas entsprang, retteten Christensen & Co mehrfach im letzten Moment nach BVB-Kontern.
»Wir haben nach der Pause gemerkt, dass mehr drin ist«, sagte Eberl. »Aber wir haben das Gleichgewicht nicht gehalten, hatten nicht das Gefühl, wann ich den Weg nach vorne machen kann und wann ich besser bleiben muss. In dieser Naivität bekommen wir dann zwei Tore«.
Schon mit dem 3:1 war der Drops gelutscht. Zum Glück stellten die Dortmunder nach dem vierten Treffer auf Verwaltungsfußball um und auch von Gladbacher Seite ging es nur noch darum, nicht vollends abzurauschen. »Nach hinten raus war es erklärbar wehrlos«, gab Christoph Kramer zu. »Aber in Dortmund bei 1:4 in der 70. Minute auf ein 5:4 zu spielen, wäre dumm«.
Diese Entscheidung von Kramer und Kollegen war vernünftig, doch in der heißen Phase zuvor wurde die klare Linie innerhalb der Mannschaft vermisst. »Die Typen, die das in die Hand nehmen, fehlen uns«, räumte Eberl ein. »Ein Granit Xhaka oder ein Martin Stranzl. Lars Stindl wächst rein, die jungen Spieler auch. Aber dieser eine, der auf dem Platz das Gespür hat, der fehlt im Moment. Jeder hat mit sich zu tun und übernimmt in diesen Phasen wenig Verantwortung für die Truppe«.
»Momentan wird jeder Fehler bestraft, das müssen wir abstellen«, so Eberl weiter. »Aber davon sprechen wir auch fast nach jedem Spiel, das muss natürlich auch mal fruchten. Wir können nicht immer von guten Ansätzen reden, irgendwann musst du punkten. Die anderen Mannschaften warten nicht auf Borussia Mönchengladbach«.
»Jeder kann die Tabelle lesen«, zitierte Eberl Lucien Favre. »Es ist keine einfache Situation. Wir sind nicht im freien Fall, aber wir sollten schon alle sehr sensibel damit umgehen. Aber wir wissen die Fans hinter uns, das gibt ein gutes Gefühl«. Immerhin.