Es ging schnell in Mönchengladbach. Kaum war der Königsklassen-Hit gegen Juventus Turin vorbei, wurde der Borussia-Park wieder in seinen Alltagszustand versetzt, die Sitze aus der Nordkurve entfernt und alle anderen Bereiche von den gelabelten UEFA-Devotionalien befreit. Von der großen Bühne Champions League mit dem Weltklassegegner geht es zum Bundesligaspiel gegen den FC Ingolstadt. Das ist ein echtes Kontrastprogramm.
Langjährige Teilnehmer in den europäischen Wettbewerben wissen, dass es nach solchen Highlights unter der Woche verdammt schwierig ist, sich am Samstag gegen einen vermeintlich kleinen Gegner 100%ig zu motivieren. Diese Gefahr ist natürlich auch bei den Gladbacher Borussen gegeben, die jetzt in sechs Partien innerhalb kürzester Zeit stets Vollgas gegeben haben. Neben der körperlichen droht auch eine geistige Müdigkeit.
»Eine mentale Abnutzung sehe ich nicht«, widerspricht Borussias Trainer André Schubert. Im Gegenteil, Spiele wie gegen Turin würden die Mannschaft gedanklich wach halten. »Gegen ein Team, das auf so hohem Niveau agiert, musst du selber immer wieder Ideen haben und Situationen neu lösen. So entwickeln wir uns taktisch immer weiter. Ich habe den Eindruck, dass die Mannschaft das als hochspannend empfindet«.
Es gehe darum, so Schubert, »taktisch noch variabler zu werden, noch besser zu verteidigen, aber andererseits auch noch variabler im Angriff zu sein, um irgendwie auf alles eine Antwort zu haben«. Anzeichen, dass sich in diesem Prozess jemand zurücklehnt und nachlässig wird, gibt es keine.
Und auch körperlich scheinen Reserven da zu sein. »Die Jungs sind nach den Spielen erstmal müde«, sagt Schubert. »Zwei Tage später sind sie dann wieder voller Tatendrang, sind heiß und wollen auch wieder spielen. Die Mannschaft macht einen sehr guten Eindruck, ich bin da selber immer wieder erstaunt«.
Gleichwohl wird die Partie gegen Ingolstadt eine echte Herausforderung und vielleicht sogar das komplizierteste Spiel der letzten Wochen. Denn der Bundesliganeuling aus Bayern ist eine der unangenehmsten Mannschaften der Liga. »Sie spielen als Aufsteiger eine sehr, sehr beachtliche Saison«, lobt Schubert die ›Schanzer‹. »Sie sind das drittbeste Auswärtsteam, haben die zweitbeste Abwehr der Liga nach Bayern München. Das zeigt, dass wir die Ingolstädter auf keinen Fall unterschätzen sollten. Wir sind gewarnt und wissen, was das für eine schwere Aufgabe ist«.
»Phasenweise presst Ingolstadt und geht sehr früh drauf«, weiß Schubert. Oder aber sie stehen tief gestaffelt in der eigenen Hälfte. »Wir sind auf alles vorbereitet«, sagt der Coach. Wenn es darum geht, ein defensives Bollwerk zu knacken, kann das Team auf die jüngsten Erfahrungen zurückgreifen. »Hertha hat auch teilweise sehr tief gestanden. Es ist einfach sehr wichtig, dass wir dann über ein schnelles Kombinationsspiel, über viele Positionswechsel selbst immer wieder Lücken reißen, andribbeln, kurze und schnelle Pässe spielen. Den Gegner damit beschäftigen und immer wieder vor Aufgaben stellen. Und natürlich Präsenz im Strafraum zu haben und immer wieder gefährlich reinzukommen. Also so, wie wir in Berlin gespielt haben. Das wird für das Spiel gegen Ingolstadt auch gelten«.
Personell wird es wahrscheinlich keine großartigen Veränderungen geben. Die Alternativen sind nach wie vor eher dünn gesät. Tony Jantschke könnte möglicherweise wieder im Kader stehen, bei Julian Korb sieht es schlechter aus. Es sei ein »tiefer Bluterguss«, so dass der Rechtsverteidiger wohl erst nach der Länderspielpause wieder spielfit sein wird.
Mit Håvard Nordtveit hat Schubert für die rechte Seite jedoch einen adäquaten Vertreter zur Verfügung. »Ich war mir nicht 100% sicher, wie er auf der rechten Seite spielt, aber das hat er klasse gemacht«, sagt Schubert. »Das zeigt die Qualitäten dieses Spielers, dass er einerseits technisch, taktisch und physisch viel mitbringt, aber es auch mental schafft, sich auf die neuen Situationen einzustellen, sie anzunehmen und auszufüllen«.
Sich von Juve auf Ingolstadt einzustellen und den Ligaalltag anzunehmen - diese Aufgabe müssen alle Borussen am Samstag lösen. Die Fans gehen dabei mit gutem Beispiel voran: Der Borussia-Park wird so gut wie voll sein, bereits 52.000 Karten wurden abgesetzt. Schließlich gilt es, den siebten Streich unter André Schubert perfekt zu machen.