56 Minuten waren bei Dauerregen im Borussia-Park gespielt, als Lars Stindl und Caglar Söyüncü an der Außenlinie aneinandergerieten. Es war die Phase im Spiel, als Freiburg drauf und dran war, sich eine Führung zu verdienen. Borussias Kapitän stieg gegen den Türken etwas zu hart ein und sah zurecht die 5. Gelbe Karte. Doch weil Söyüncü Stindl an den Kragen gehen wollte, wurde er fortan vom Publikum als Buhmann auserkoren.
Stindl lieferte sich ein umkämpftes Duell mit dem Freiburger, der zunächst die Oberhand zu behalten schien. Der 20-Jährige entschied einen engen Zweikampf für sich, kurz darauf verweigerte der Schiedsrichter Stindl einen Foulelfmeter, als er im Strafraum gegen Söyüncü zu Fall kam. Es brodelte im Kessel, Söyüncü wurde bei jedem Ballkontakt lautstark ausgepfiffen.
Die Gemengelage dürfte eine Rolle gespielt haben in der 73. Minute, als Freiburgs Keeper Schwolow einen etwas kurz geratenen Abschlag fabrizierte, den Johnson in Höhe der Mittellinie per Kopf nach vorne beförderte. Wieder kam es zum Duell Stindl gegen Söyüncü, diesmal setzte sich der Kapitän mit Vehemenz durch und erzielte den Führungstreffer. »Das macht Lars Stindl hervorragend«, musste Freiburgs Trainer Christian Streich anerkennen. »Das war ein typisches Stindl-Tor.«
Stindls Treffer des Willens war der »Dosenöffner«
Einen Vorwurf wollte Streich seinem Verteidiger in dieser Szene nicht machen. Dass Söyüncü die Atmosphäre möglicherweise einen Tick verunsichert hatte, schloss Streich nicht aus. »Er ist 20, kommt aus der zweiten türkischen Liga. In solch einem engen Spiel vor fast 50.000 Zuschauern - das kann er nicht komplett ausblenden. Aber das ist Bundesliga.«
Für die Borussia war Stindls Führungstreffer »der Dosenöffner«, wie es Dieter Hecking umschrieb. Der 52-Jährige sah in seinem ersten Heimspiel als Trainer der Borussia eine bis dahin ausgeglichene Partie, mit leichten Vorteilen für den Gast. »So einen Spielverlauf hatte ich irgendwo im Kopf«, meinte Hecking. »Unter der Woche habe ich schon gesagt, dass wir Freiburg mit den eigenen Waffen schlagen müssen. Beide Mannschaften sind über 120 Kilometer unterwegs gewesen. Das ist sensationell und zeigt, wie intensiv das ganze Spiel war.«
Brutale Hereingaben flatterten durch den Fünfer
Nach einer ordentlichen Startphase gaben die Borussen die Kontrolle im weiteren Verlauf immer mehr aus der Hand. Tony Jantschke erinnerte der Freiburger Auftritt an den Gladbacher Stil der letzten Jahre. »Das 4-4-2, was uns jahrelang ausgezeichnet hat, hat Freiburg sehr gut drauf«, sagte er. »Sie waren zudem vorne mit Niederlechner und Petersen sehr physisch und haben viele dieser Chip-Bälle gespielt. Da hast du es als Verteidiger schwer, hinzukommen.«
Grifo vergab eine Riesenchance und auch danach brannte es noch ein paarmal lichterloh im Gladbacher Strafraum. »Da sind einige brutale Hereingaben durch den Fünfer geflattert«, bestätigte Jantschke. »Mit dem nötigen Glück und dem Willen, unser eigenes Tor zu verteidigen, haben wir diese Phase überstanden«, ergänzte Hecking. Die Borussen wehrten sich, wie Stindl gegen Söyüncü, und der Funke sprang auf die Ränge über.
»Das Umschaltspiel war überragend«
Freiburg war nach dem Gegentor um eine Antwort bemüht. »Sie mussten ein bisschen die Räume aufmachen«, sagte Hecking. Sein Team nutzte dies eiskalt aus. »Das Umschaltspiel war dann überragend und es war klasse, wie die Mannschaft die beiden weiteren Tore herausspielt«, freute sich der Trainer.
»Wir waren sehr effektiv«, ergänzte Jantschke. »Nach hinten heraus spielen wir es sehr gut aus. Der Sieg ist aufgrund der Torchancen verdient, aber das 3:0 ist natürlich bedeutend zu hoch«. So sah es auch der Trainer: »Das war zu hoch, das muss man nicht extra betonen.«
Hecking will einer Überheblichkeit entgegenwirken
Dennoch nehmen die Borussen den deutlichen Sieg nur zu gerne mit. Nicht nur Tony Jantschke blickt immer noch mit »einem Auge nach unten.« Der gelungene Start ins Jahr 2017 bringt Luft zum Atmen, gleichwohl mahnt Dieter Hecking zur Wachsamkeit. »Der Sieg darf über manch anderes nicht hinwegtäuschen. Da waren ein paar Wackler drin, die wir in der Analyse gegenüber der Mannschaft nicht verschweigen dürfen«.
»In der Schlussphase hat sich gezeigt, über welche Qualität diese Mannschaft verfügt, wenn sie Selbstvertrauen hat«, so Hecking. »Nur darf das nicht in Überheblichkeit ausarten. Aber dafür bin ich ja da.«
Hofmann vielleicht schon in Bremen wieder dabei
Der Fokus richtete sich schon am Samstagabend auf das Pokalspiel am Dienstag in Fürth. Angesichts der anstehenden englischen Wochen hofft der Trainer nach Herrmann, Drmić und Johnson auf weitere Rückkehrer aus dem Krankenstand. »Nico Elvedi und Tobi Strobl werden wieder ins Mannschaftstraining einsteigen«, kündigte er an.
Jonas Hofmann, der kurzfristig mit einer schweren Zerrung ausfiel, sollte normalerweise nicht allzulange fehlen. »Fürs Pokalspiel wird es wohl nichts werden«, sagte Hecking. »Vielleicht für Bremen, wenn wir viel Glück haben. Bei solch intensiven Spielen bin ich froh über jeden, der zurückkommt.«