Hauchdünn ist der Vorsprung von Borussia Mönchengladbach nach dem 26. Spieltag auf den fünften Tabellenplatz, Eintracht Frankfurt hat nur einen Zähler weniger auf dem Konto. Selbst das Polster auf Rang 7 beträgt nur noch fünf Punkte. Auch ohne den Teufel an die Wand malen zu wollen: Borussias Ziele sind akut gefährdet.
In der Rückrundentabelle liegen die Fohlen zwar immer noch auf dem achten Platz und damit ist eigentlich noch alles im Rahmen. Doch weil nach den drei Siegen in Folge zu Beginn des Jahres anschließend nur noch 5 Punkte geholt und nebenbei ein komfortables Torverhältnis verschludert wurde, ist die Lage angespannt. Der Trend spricht gegen die Borussia und ausgerechnet jetzt geht es in die alles entscheidende Saisonphase.
Geht schon wieder eine Rückrunde den Bach runter?
Die Skeptiker sind schon längst wieder dabei, diverse Horrorszenarien zu entwerfen. Nahrung ziehen sie für ihre Argumentation auch aus der jüngeren Vergangenheit. In der letzten Rückrunde wurde eine ausgezeichnete Ausgangsposition nicht genutzt und man endete wie im Jahr davor auf Rang 9. Damals stand man im Winter zwar schlecht da und bekam unter Neu-Trainer Dieter Hecking zunächst die Kurve, um im weiteren Verlauf innerhalb kürzester Zeit in der Europa League und im Halbfinale des DFB-Pokals zu scheitern. Und auch der Versuch, im Schlussspurt der Saison noch auf einen internationalen Platz vorzustoßen, misslang.
So schleppt man letztlich das Gefühl durch die letzten Jahre, dass Borussia es in der Rückrunde in schöner Regelmäßigkeit ›verkackt‹, wenn es drauf ankommt. Und zumindest von der Tendenz her scheint es aktuell wieder zu passieren. Doch woran kann das liegen? Selbst in der Wahnsinnssaison 2015/2016, als Borussia nach fünf Niederlagen zu Beginn unter André Schubert am Ende auf Platz 4 stürmte und die Champions League erreichte, gab es in der Rückrunde Durchhänger.
Das breite Kreuz à la Xhaka wird vermisst
Seinerzeit entwickelte die Mannschaft allerdings eine großartige Mentalität, mit der sie sich immer wieder zurückmeldete und einen sich andeutenden Negativtrend umkehrte. Blickt man auf den Kader, so sind viele von damals auch heute noch da. Doch der Spieler, der in jenen Tagen den Unterschied ausmachte, verließ die Borussia: Granit Xhaka. André Schubert machte den unberechenbaren Hallodri zum Kapitän und Xhaka zog alle mit. »Granit hat eine unfassbare Entwicklung genommen und ist als Persönlichkeit gereift«, schwärmte Schubert im Frühjahr 2016. »Die Ruhe und Körpersprache, mit der er in den letzten Wochen diese Mannschaft geführt hat, finde ich grandios. Granit geht immer mit einem breiten Kreuz über den Platz«.
In den folgenden Jahren fehlte das breite Kreuz à la Xhaka immer dann, wenn es drauf ankam. Lars Stindl ist sicherlich ein hervorragender Typ und Kapitän, der seine Kollegen auch mitreißen kann. Doch er musste erst in diese Rolle hineinwachsen und schleppt ausgerechnet in dieser Saison sein eigenes Päckchen mit sich herum, weil es eigentlich im neuen System für ihn keine richtige Position gibt. Dieser Mischmasch aus nominellem Mittelstürmer und gleichzeitigem Spielgestalter kostet Stindl, zumal er auch noch als Vorzeige-Rackerer daherkommt, erhebliche Ressourcen.
Auch aus der Gruppe heraus kann sich der unbedingte Siegeswille entwickeln
Christoph Kramer wäre von seiner Veranlagung her auch jemand, an dem sich die Mitspieler aufrichten und der eine Siegermentalität vermitteln könnte. Doch Kramer purzelte nicht nur vor der Saison aus dem Mannschaftsrat, er steht auch sportlich nur in der zweiten Reihe. Vorangehen, ohne auf dem Platz eine Rolle zu spielen, funktioniert nicht. So fehlt dieser Typ eines positiv Bekloppten wie Xhaka, der andere mitzieht und das Feuer entfacht. Gleichwohl muss es auch nicht zwingend dieser eine Leader sein - der notwendige unbedingte Siegeswille kann sich auch aus der Gruppe heraus entwickeln.
Genau das braucht Borussia jetzt. Die Mentalität, diesen vierten Platz mit Haut und Haaren zu verteidigen und dem Gegner von der ersten Minute an klarzumachen, was Sache ist. Das mag martialisch klingen, doch so kompliziert ist der Fußball nicht. Gerade in der crunch time der Saison braucht es, neben einem kühlen Kopf, ganz viel Überzeugung in die eigene Stärke. Wenn Mannschaft und Trainer wirklich etwas Großes erreichen und tatsächlich eine Berechtigung haben wollen, nächstes Jahr in der Champions League zu spielen, müssen sie das nach der Länderspielpause zeigen. Alle gemeinsam und ohne Kompromisse.