Als zum Pflichtspielauftakt im DFB-Pokal beim Fünftligisten BSC Hastedt für Christoph Kramer nur ein Bankplatz reserviert war, lächelte er das Ganze noch großzügig weg. Wie die meisten Beobachter schien auch Kramer davon auszugehen, dass er dazu gehören wird, wenn es richtig losgeht. Doch Pustekuchen - auch im ersten Ligaspiel, ausgerechnet gegen seinen Ex-Klub Leverkusen, saß Kramer 90 Minuten draußen. Für den Weltmeister ging die Saison erst Mitte September mit einem 18-minütigen Einsatz gegen Schalke los. Sein Startelfdebüt gab er dann in der ersten englischen Woche im Heimspiel gegen Frankfurt am 5. Spieltag.
Gegen die Hessen wusste er als ‘entschlossener Staubsauger und Balleroberer’ zu gefallen und verdiente sich die Note 2,5. Die Leistung war ein deutliches Zeichen, dass er den Kampf um seinen Platz annimmt. Folgerichtig stand Kramer auch drei Tage später beim Auswärtsspiel in Wolfsburg (Note 3,0), sowie eine Woche darauf beim 3:0-Coup in der Münchener Allianz Arena über die volle Distanz auf dem Feld. Als aktiver Bälle-Einsammler und laufstarker Eroberer verdiente er sich die Note 2,0. Das änderte allerdings nichts an der Tatsache, dass er nach der folgenden Länderspielpause wieder außen vor war. Die nächsten vier Spiele blieb er ohne Einsatz, unterbrochen nur von 90 Minuten im Pokal bei der 0:5-Klatsche gegen Leverkusen.
Kramer akzeptierte die Zurücksetzung, ohne Stunk zu machen
Zu allem Überfluss zog er sich im November auch noch einen Außenbandanriss im Sprunggelenk zu und stand an den Spieltagen 12 - 16 nicht zur Verfügung. Zum Hinrundenfinale gegen Dortmund, als es personelle Engpässe gab und Strobl in die Innenverteidigung rückte, biss Kramer für 68 Minuten auf die Zähne und steuerte immerhin den zwischenzeitlichen Ausgleichstreffer bei. Doch letztlich war die Bilanz von vier Startelfeinsätzen in der für die Mannschaft so erfolgreichen Hinrunde für Kramer persönlich extrem bitter. Ungeachtet der für ihn unschönen Situation zeigte er Größe und akzeptierte die Zurücksetzung auch öffentlich, ohne Stunk zu machen.
Dass Kramer zu Beginn der Rückrunde weiter nicht erste Wahl war, überraschte niemanden. Zumindest konnte er nach seiner Einwechslung auf Schalke am 20. Spieltag für ein Highlight sorgen, indem er kurz vor Schluss den erlösenden Führungstreffer markierte. Seinen ersten Startelfeinsatz im Jahr 2019 hatte er am 22. Spieltag in Frankfurt, wo er überzeugte (Note 2,5). Mit seiner Aggressivität und Bissigkeit nervte er die Frankfurter mit deren eigenen Stilmitteln. Gegen Wolfsburg (3,0) und Bayern (4,5) spielte er von Beginn an, vermochte den Pleiten-Doppelpack im Borussia-Park jedoch auch nicht zu verhindern.
Unter dem Strich war die Saison für Kramer eine Enttäuschung
Flugs fand er sich auf der Bank wieder und durfte in den nächsten drei Partien gerade einmal zwei Minuten mitspielen. Erst als sich die Krise immer weiter verschärfte und Hecking am 28. Spieltag gegen Bremen das System umstellte, waren Kramers Dienste wieder gefragt. Als Sechser im breit gefächerten Mittelfeld war er von Beginn an auf Betriebstemperatur und überzeugte mit seiner leidenschaftlichen und laufintensiven Spielweise (Note 2,0). Auch am Wochenende darauf in Hannover war kämpferisch wie läuferisch ein Vorbild und brachte in Zusammenarbeit mit Zakakria die lang vermisste Stabilität im Mittelfeld (2,5). Gegen Leipzig stemmte er sich vergeblich gegen die nächste Heimniederlage, gleichwohl stimmte seine Einsatzbereitschaft (3,0). Selbst bei der peinlichen Niederlage in Stuttgart war er einer der wenigen, die sich reinhängten (3,5). Gegen Hoffenheim fehlte er gelbgesperrt, in Nürnberg kehrte er wieder in die Anfangself zurück, obwohl Hecking mittlerweile wieder zum 4-3-3 zurückgekehrt war. Auch am letzten Spieltag gegen den BVB erhielt er als alleiniger Sechser den Vorzug vor Strobl.
Auch wenn Christoph Kramer zum Ende richtig dabei war, so muss er die Saison 18/19 als Enttäuschung verbuchen und abhaken. 13 Startelfeinsätze sind für einen Spieler mit dem Anspruch, den Kramer (Vertrag bis 2021) auch an sich selbst hat, schlichtweg zu wenig. Insofern wird er nicht ganz unglücklich sein, dass jetzt bei Borussia ein Neustart auf dem Programm steht. Von den Anlagen her dürfte Kramer beim neuen Trainer Marco Rose Verwendung finden, auch wenn Kramer kein ‘Pressingmonster’ ist. In Leverkusen, wo Roger Schmidt Extrempressing spielen ließ, fühlte sich Kramer nicht wirklich wohl in seiner Haut. Doch da Roses Fußball als gemäßigter einzuschätzen ist als der von Schmidt, dürfte es für Christoph Kramer bei der ›neuen Borussia‹ Verwendung geben. Er sollte in der neuen Spielzeit eine gewichtigere Rolle einnehmen, als es zuletzt der Fall war.
von Marc Basten