Andreas Christensen hat ein imposantes erstes Jahr als Stammspieler im Profifußball hingelegt. Sein souveränes Auftreten auf dem Platz und seine über viele Monate makellosen Leistungen haben dazu geführt, dass man ihn in Mönchengladbach wie selbstverständlich als ›Abwehrchef‹ bezeichnet.
Dass der 1,88-Meter große Verteidiger ein Riesentalent ist, hat man in Gladbach schon im letzten Sommer in den ersten Trainingseinheiten gesehen. Dass der Däne mit seinen damals 19 Jahren allerdings so schnell Fuß fassen würde, kam schon ein wenig unerwartet. Noch erstaunlicher war, dass Christensen es schaffte, sein hohes Niveau über Monate konstant auf den Platz zu bringen.
Er leistete sich so gut wie keine Leistungsschwankungen und war die Beständigkeit in Person. Und das auf einem außergewöhnlichen Level - nicht nur für einen Teenager. Schnell war klar, dass Gladbach da ein echtes Juwel an Land gezogen hat. Wenn auch zunächst nur auf Leihbasis bis Juni 2017.
Christensen war ein wichtiger Baustein der furiosen Aufholjagd, die Borussia unter André Schubert hinlegte und die letztlich in die Champions League mündete. Die Klasse des mittlerweile 20-Jährigen blieb natürlich niemandem verborgen. Chelsea, wo Christensen bis 2020 unter Vertrag steht, hat ihn ohnehin im Auge. Aber auch bei vielen anderen Topklubs ist er in den Fokus gerückt.
In der dänischen Nationalmannschaft ist aus dem Talent der U21 mittlerweile ein Basisspieler im A-Team geworden. Innerhalb eines Jahres hat Andreas Christensen einen gewaltigen Schritt gemacht.
Der abseits des Platzes eher introvertiert daherkommende Schlacks versichert, dass ihn der zunehmende Rummel um seine Person nicht beeinträchtigt. Doch natürlich gehen die anhaltenden Spekulationen um seine Zukunft nicht spurlos an ihm vorüber. Die Gladbacher buhlen sehr offensiv darum, Christensen länger halten zu können. Chelsea sitzt formell am längeren Hebel, doch letztlich hat auch der Spieler selbst ein gewichtiges Wort mitzureden. Und nicht zu vergessen sind die anderen Türen, die sich in Europa für Christensen zu öffnen beginnen.
Derweil ist er in Mönchengladbach als unverzichtbarer ›Gerüstspieler‹ gefordert. In allen bisherigen Pflichtspielen stand er in der Startelf und blieb 90 Minuten auf dem Platz. Lediglich im Erstrundenspiel im Pokal wurde er geschont. Die Messlatte hat Christensen mit seinen Topleistungen selbst extrem hochgelegt.
Daran orientiert muss Christensen in den letzten Wochen eine kleine ›Leistungsdelle‹ attestiert werden. Das mag angesichts des immer noch hohen Niveaus vermessen anmuten, ist aber nicht von der Hand zu weisen.
Die Gründe dürften vielschichtig sein. Zum einen die erwähnte veränderte Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, zum anderen die ungeklärte Zukunft. Darüber hinaus ist es auch den vielen Verschiebungen in Borussias Hintermannschaft geschuldet, dass Christensen hier und da die Beständigkeit abhandengekommen ist.
Fortwährend hat er andere Nebenleute in der Abwehrkette, zweimal wurde er zudem im defensiven Mittelfeld aufgeboten. Gegen harmlose Bremer klappte es, auf Schalke war er eine Halbzeit lang überfordert. Dass er in der defensiven Sechser-Rolle spielen kann, steht außer Zweifel. Doch genauso sicher ist, dass er als zentraler Verteidiger wertvoller ist.
Insgesamt wirkt Christensen noch nicht so stabil wie in der Vorsaison, was sich in unglücklichen Szenen (wie beim Gegentor in Leipzig) oder klaren Fehlern (wie vor dem Tor zum 0:4 auf Schalke) ausdrückt. Auch in der Nationalmannschaft konnte er zuletzt nicht überzeugen - gemeinsam mit Jannik Vestergaard sah er am vergangenen Wochenende beim 2:3 gegen Polen mehrfach sehr schlecht aus.
Sicher, all das ist nicht ungewöhnlich für einen 20-Jährigen und zeigt allenfalls, dass Andreas Christensen doch von dieser Welt ist. Eigentlich würde es sich anbieten, ihm mal eine Pause zu geben. Doch dazu gibt es keine Gelegenheit: Nach der Länderspielwoche wartet ein Block von 7 Spielen innerhalb 3 Wochen auf die Borussen. Bei denen Christensen dringend gebraucht wird. Möglichst in Topverfassung.