Es gibt Auswärtsspiele, auf die kann man sich vorbehaltlos freuen. Es gibt aber auch Reisen zu Spielen, die eher wenig Freude bereiten. Eine solche steht am Samstag an, wenn Borussia bei Union Berlin antritt. Die Köpenicker haben nach ihrem Aufstieg ein Fußball-Märchen geschrieben, doch mit der sensationellen Qualifikation für die Champions League und der Demission von Urs Fischer folgte ein tiefer Absturz, der fast mit dem Abstieg geendet hätte.
Mittlerweile ist Union nicht mehr der schnoddrige Kultverein, sondern ein für den neutralen Zuschauer eher uninteressanter Klub, in dem Steffen Baumgart und Horst Heldt die sportlichen Geschicke zu verantworten haben. Ihnen ist es immerhin gelungen, die akute Abstiegsgefahr zu bannen - aktuell steht Union 10 Punkte vor dem Relegationsplatz im Niemandsland der Tabelle. Der Spielstil von Union war schon unter Urs Fischer alles andere als attraktiv, und daran hat sich auch unter Baumgart grundsätzlich nichts geändert.
»Es wird wichtig sein, die gleiche Energie wie der Gegner auf den Platz zu bringen«
»Es ist immer eine harte Nuss, dort zu spielen«, sagte Borussias Trainer Gerardo Seoane am Donnerstag. »Der Gegner tritt sehr kompakt und aggressiv auf und agiert mit viel Physis«. Eine solche Herangehensweise schmeckt den Borussen traditionell nicht, sodass die Spiele an der Alten Försterei stets eine Qual für Spieler und Zuschauer waren. Vier Niederlagen und ein Remis lautet die ernüchternde Bilanz für Borussia in Köpenick. »In den vergangenen Jahren ist es zu selten gelungen, uns gegen die Zweikampfstärke des Gegners zu wehren«, sagte Seoane.
Am Samstag will man dies besser machen. »Es wird wichtig sein, die gleiche Energie wie der Gegner auf den Platz zu bringen«, erklärte der Schweizer. »Diesbezüglich haben wir in dieser Saison einen Schritt nach vorne gemacht. Vom Läuferischen, Kämpferischen und der Bereitschaft performen wir bislang auf einem sehr guten Level.«
Nur Reitz und Honorat fehlen weiterhin
Seoane muss in Berlin weiter auf Franck Honorat und Rocco Reitz verzichten, die beide noch länger ausfallen werden. Ansonsten haben sich die Infekte bei Elvedi und Sander verflüchtigt und auch das eine oder andere Wehwehchen aus dem Frankfurt-Match ist abgeklungen. Wie immer ergeben sich für Borussias Coach einige Varianten bei der Aufstellung, doch die diesbezüglichen Überlegungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Die wohl für die meisten spannendste Frage ist die, wie Seoane weiter mit Florian Neuhaus verfährt. Dessen Last-Second-Wechsel nach Istanbul kam schon allein aufgrund der Rahmenbedingungen nicht zustande. »Wir verscherbeln keine Spieler«, sagte Sportchef Roland Virkus dazu. Das vermeintlich interessante Angebot aus der Türkei war nur eine Luftnummer. »Es ging um eine kostenlose Leihe mit einer Kaufoption für Besiktas. Da mussten wir nicht weiter diskutieren.«
Neuhaus kein Sechser
Neuhaus ist also noch da und ist mit seinem Startelfdebüt in dieser Saison gegen Frankfurt wieder in den Fokus gerückt. »Mit der Leistung am letzten Wochenende hat er auf jeden Fall Argumente für sich gesammelt«, sagte sein Trainer. Es war zwar keine ‘Gala’, wie vereinzelt zu lesen war, doch eine seriöse Vorstellung auf einer Position, die nicht die seine ist. »Im Kollektiv haben wir es geschafft, mit zwei spielerischen Sechsern defensive Stabilität hinzukriegen«, sagte Seoane. Aber das war nur eine Verlegenheitslösung, weil sonst kein Sechser spielfit war.
»Ich sehe Flo auf einer möglichen Zehnerposition oder falls wir auf einem der beiden Flügel eingerückt spielen lassen«, stellte Seoane nochmals klar. Heißt, Neuhaus muss sich dem Konkurrenzkampf mit den offensiven Mittelfeld- und Außenspielern stellen, während er als Sechser nur ein Backup für den Notfall ist. Gerade bei Union wird auf der Doppelsechs einiges an defensiver Härte gefragt sein und daher dürfte Sander neben Weigl auflaufen.
Die miese Bilanz aufpolieren
Ob Seoane Neuhaus spielen lassen wird, um den Flow von Flo auszunutzen, bleibt abzuwarten. In jedem Fall wird es Zeit, dass die Borussen ihre miese Bilanz an der Alten Försterei aufpolieren und im sechsten Anlauf dafür sorgen, dass Auswärtsspiele bei Union doch gar nicht so freudlos sind, wie es bislang immer der Fall war.
von Marc Basten