Die Stimmung im Borussia-Park am späten Sonntagnachmittag war angespannt. Es gab viele skeptische Gesichter auf den Tribünen, und das Pfeifkonzert, das der Name Gerardo Seoane bei Verlesung der Mannschaftsaufstellung auslöste, war mehr als nur laut. Und auch bei den Spielernamen - deutlich vernehmbar bei Julian Weigl - waren vereinzelt Pfiffe zu hören, die nicht aus dem Auswärtsblock kamen. Es hatte den Anschein, als ob ein Funke genügen würde, um im Stadion etwas ganz anderes anzuzünden als Pyrotechnik.
Umso bemerkenswerter war es, dass die Mannschaft unter diesen Voraussetzungen eine Antwort parat hatte, die ihr in dieser Form wohl nur die wenigsten zugetraut hätten. »Wir waren viel zielstrebiger nach vorne, haben sauberer abgeschlossen und fast keine Fehler im Spielaufbau gemacht«, sagte Tim Kleindienst anschließend. »Vieles hatte Hand und Fuß«.
Fehler des Gegners konsequent zu nutzen, ist ein Qualitätsmerkmal
»Es war extrem wichtig, in der ersten Halbzeit einen Doppelschlag zu landen, das Publikum mitzunehmen und gerade nach dem Pokalspiel in Frankfurt zu zeigen, dass wir es besser können«, sagte ‘Anführer’ Kleindienst. Es kam den Borussen dabei entgegen, dass die Bremer unerwartet flatterhaft begannen. Sie halfen beim frühen Doppelpack durch Plea und dem von Kleindienst erzwungenen Eigentor von Friedl eifrig mit.
Das schmälert den starken Auftritt der Borussen nicht, denn es ist ein Qualitätsmerkmal, das auszunutzen, was der Gegner einem anbietet. Und das gelang den Fohlen auf eine Art und Weise, dass die explosive Stimmung auf den Rängen zügig in Begeisterung umschlug. Die Abwehrreihe verteidigte konsequent, im Mittelfeld wurde mannorientiert gegen den Ball gearbeitet und selbst ein Alassane Plea zeigte sich als verbissener Balleroberer in der eigenen Hälfte.
Ein Tor für Liebhaber des Konterfußballs
Vorentscheidend war das 3:0 unmittelbar vor dem Pausenpfiff durch Honorat, was in Entstehung und Vollendung die Herzen aller Liebhaber des Konterfußballs hat höher schlagen lassen. Im zweiten Durchgang veränderte sich die Gemengelage deutlich, was zunächst daran lag, dass die Bremer sich berappelt hatten. Durch drei Wechsel und den Umstand, mit einem frühen Tor noch eine Chance auf ein Comeback zu haben, machte Werder Druck. Und in dieser Phase wurde sehr deutlich, dass die Borussen von echter Stabilität noch meilenweit entfernt sind.
»Wir müssen uns ankreiden lassen, dass wir etwas unsauber geworden sind«, räumte Kleindienst ein. Doch mit Leidenschaft und einem gut aufgelegten Moritz Nicolas zwischen den Pfosten gelang es den Borussen, das Bremer Tor zum 1:3 zu vermeiden. Die sich durch die offensivere Herangehensweise der Bremer unweigerlich ergebenden Räume hätte man zwar wesentlich besser nutzen können, aber es reichte dann doch, um mit dem 4:0 durch Stöger in der 67. Minute den Deckel auf die Partie zu machen.
Die Lunte am Pulverfass ist ein Stück länger geworden
Der Bremer Treffer eine Viertelstunde vor Schluss änderte daran nichts mehr, selbst wenn die Endphase der Partie auch bedingt durch die Wechsel etwas sehr nach Wildwest-Fußball aussah. Am Ende steht ein auch in dieser Deutlichkeit hochverdienter 4:1-Sieg der Borussen, der zu einem essenziellen Zeitpunkt gekommen ist. Die Lunte am Pulverfass ist zwar noch vorhanden, aber sie ist ein gutes Stück länger geworden.