Es ist sehr schwierig in diesen Tagen, den Fokus auf den Fußball zu richten. Begriffe wie ‘Schicksalsspiel’ oder ‘Überlebenskampf’ wären in anderen Zeiten wahrscheinlich in einen Vorbericht zum Kellerduell zwischen Gladbach und Wolfsburg eingeflossen. Doch wenn mit Jordi Bongard ein junger Borussen-Profi tragisch ums Leben kommt und nebenan in Europa die Ukraine einen russischen Angriffskrieg erleidet, dann verschieben sich die Perspektiven doch sehr deutlich. Welche Bedeutung hat da ein Fußballspiel?
Und dennoch rollt am Samstag im Borussia-Park der Ball, auch wenn man die Umstände gewiss nicht einfach verdrängen kann. Für Borussia Mönchengladbach heißt es gegen den VfL Wolfsburg, die Klatsche vom vergangenen Wochenende in Dortmund vergessen zu machen - oder sich zumindest soweit zu stabilisieren, dass man nicht erneut in einen Strudel des gänzlichen Kontrollverlustes gerät, wie es Anfang Dezember der Fall war.
Dieses Festhalten an etwas, was in sich nicht funktioniert, ist höchst gefährlich
Der Blick auf die Tabelle lässt keine Zweifel zu: Borussia steckt tief im Schlamassel und die Tatsache, dass man im Schnitt zwei Tore pro Spiel kassiert hat, ist mehr als nur besorgniserregend. Adi Hütter hat sich bislang als besonnener Vertreter seiner Zunft präsentiert und Aktionismus vermieden. Da es mit der Stabilität jedoch nicht weit her ist und Rückschläge wie in Dortmund direkt wieder das zerstören, was man sich zuvor in Mini-Schritten erarbeitet hat, wirkt seine Besonnenheit immer mehr wie Hilflosigkeit. Dieses Festhalten an etwas, was in sich nicht funktioniert, ist höchst gefährlich.
Doch auch gegen Wolfsburg ist nicht damit zu rechnen, dass es tiefgreifende Veränderungen geben wird - weder vom Personal her, noch von der Grundformation. Wie schon vor dem Dortmund-Spiel spekuliert, könnte Kramer ins Team rücken. Auch eine Umstellung im Angriff, wo Embolo jegliche Vollstreckerqualitäten vermissen lässt, ist möglich. Allerdings sind die Alternativen rar und auch das ist ein Dilemma, das Hütter verfolgt. Wie schon des öfteren an dieser Stelle thematisiert, ist die unausgewogene Kaderbesetzung - die auch im Winter nicht korrigiert wurde - ein ungelöstes Problem.
Die Möglichkeit, sich der größten Existenzsorgen zu entledigen, ist durchaus gegeben
Es wird also letztlich nur nach dem Motto ‘Augen zu und durch’ laufen können. Das Wolfsburg-Spiel ist der Startschuss zu einer Reihe von Partien gegen Konkurrenten aus dem Tabellenkeller. Die Möglichkeit, sich der größten Existenzsorgen zu entledigen, ist durchaus gegeben. Nur muss man dafür an erster Stelle konzentriert und konsequent verteidigen und dann die Chancen kompromisslos nutzen. Ob die Mannschaft dazu in der Lage ist, bleibt eine quälende Frage. Ein wenig schlauer wird man am Samstag gegen 17.15 Uhr sein.
von Marc Basten