Dass der intensive Fußball, den Marco Rose bei der Borussia in diesem Sommer eingeführt hat, die Spieler körperlich besonders fordert, ist keine Überraschung. Für alle – mit Ausnahme Stefan Lainer – ist es eine immense Umstellung. Gerade in diesen englischen Wochen, wo es im Dreitagerhythmus zur Sache geht, steht auch die grundsätzliche Herangehensweise auf dem Prüfstand. Kann eine Mannschaft tatsächlich durchpowern, oder muss nicht doch ökonomischer gespielt werden?
Es ist in jedem Fall ein Tanz auf der Rasierklinge, der von Spiel zu Spiel gefährlicher wird. Als Lucien Favre noch Trainer in Gladbach war, nannte er es »unmöglich«, dass seine Spieler donnerstags in der Europa League und sonntags in der Bundesliga in nahezu unveränderter Formation durchspielen könnten. Entweder müsse man einen sehr großen und gleichwertig besetzten Kader haben, um ohne Qualitätsverlust zu rotieren, oder aber man muss die Priorität auf einen Wettbewerb legen. So schenkte Favre in seiner Zeit in Nizza die Europa League nahezu ab, während er sich in der Liga mit seinem Team überraschend in der Spitzengruppe festsetzte.
Dass Fußball mit Hingabe in mehreren Wettbewerben mit einem normalen Kader möglich ist, hat Eintracht Frankfurt in der letzten Saison bewiesen. Doch obwohl die Hessen von der Euphorie getragen wurden, brachen sie auf der Zielgeraden ein und standen um ein Haar mit leeren Händen da. Irgendwann ist halt die Grenze des Machbaren erreicht.
In Mönchengladbach muss Marco Rose schon Ende Oktober davon sprechen, dass man »am Limit« sei. Mittlerweile stehen elf Profis auf der Verletztenliste, darunter mit Matthias Ginter, Tobias Strobl, Fabian Johnson, Raffael und Plea potenzielle Startelfkandidaten. Nach dem kräftezehrenden Sieg gegen Frankfurt kommen zwei weitere schwerwiegende Ausfälle hinzu: Tony Jantschke muss zumindest in Dortmund mit einer Zerrung pausieren, Breel Embolo hat sich einen »kleinen« Muskelfaserriss zugezogen. »Er wird uns wohl bis zum Ende der Länderspielpause nicht zur Verfügung stehen«, erklärte Rose am Dienstag.
Mit Lars Stindl und Jonas Hofmann sind zwar zwei Spieler zurückgekehrt, doch beide kann man noch nicht für 90 oder gar 120 Minuten einplanen. So sieht sich Rose in einem kleinen Dilemma. »Wir sind in einer Spirale, aus der wir gerade nicht rauskommen«, erkärte er. Zwar kommen Spieler zurück, dafür fallen andere aus. Unter dem Strich mussten die ‚gesunden‘ Profis aus der Stammformation in den letzten Wochen mehr oder weniger durchspielen. Eine Belastungssteuerung ist bei Zakaria, Thuram & Co kaum möglich.
Angesichts der Ausfälle ist auch in Dortmund keine Gelegenheit, dem einen oder anderen Stammspieler eine Pause zu gewähren. Die Borussen kommen auf dem Zahnfleisch daher, aber Marco Rose will nicht »rumjammern«. »Wir werden eine Mannschaft auf den Platz stellen, die um den Verbleib im DFB-Pokal kämpfen kann und wird. Wir fahren dorthin, um eine Runde weiterzukommen. Unabhängig von unserer Personalsituation.«
Rose kündigte an, dass Jordan Beyer im Westfalenstadion beginnen wird. »Wir vertrauen ihm«. Möglicherweise könnte auch Lars Stindl anfangen und so lange spielen, wie es geht. Ebenso sind einige andere Varianten möglich, doch es wird fraglos improvisiert werden müssen. Klar scheint nur, dass die Borussen auch in Dortmund an ihrem intensiven Spielstil festhalten und alles versuchen werden, die angeschlagenen Dortmunder in die Knie zu zwingen. Ungeachtet dessen, dass drei Tage später das Spiel in Leverkusen ansteht.
von Marc Basten