Ein letztes Mal wird Marco Rose am Samstag im Borussia-Park die Fohlenelf coachen. Gefühlt hat sich der 44-Jährige schon seit längerem verabschiedet, doch möglicherweise konnte er auch gar nicht so in Mönchengladbach ankommen, wie es nötig gewesen wäre. »Ich durfte ein paar Highlights miterleben, wie die Stimmung nach dem Sieg gegen die Bayern oder gegen AS Rom«, sagte Rose am Freitag. Das war in seinem ersten Halbjahr in Gladbach – damals im Herbst 2019. »Das war dann von heute auf morgen weg. Ich habe den wichtigsten Teil in den anderthalb Jahren nur relativ kurz mitbekommen.«
Es passt irgendwie in das von Corona gezeichnete Bild, dass Rose und sein Team die letzten gemeinsamen Tage unter Quarantäne-Bedingungen verbringen müssen. Einmal mehr sind sie in ihrer Blase beisammen und müssen dafür sorgen, dass die Show fürs TV-Publikum weitergeht. Dass Trainer und Spieler mehr denn je projektbasiert denken und handeln, ist nicht verwunderlich. Natürlich kennt jeder den Unterschied zwischen einem Plastikklub und einem Traditionsverein, doch es fällt den Protagonisten zunehmend schwer, die Wucht eines Vereins wie Borussia Mönchengladbach wahrzunehmen, wenn man in einer sterilen Simulation seinem Beruf nachgeht.
»Konstantes, gutes Verteidigen haben wir dieses Jahr zu selten hinbekommen«
Marco Rose wird am Samstag gegen den VfB einen vorletzten Schritt als Trainer von Borussia machen. Dieser dürfte durchaus beschwerlich werden, hat er doch die 0:6-Klatsche aus München im Gepäck. Die verheerende Defensivbilanz der Fohlen war das große Thema in den letzten Tagen. Auch bei Rose und seiner Mannschaft. »Darauf haben wir die Woche hingearbeitet und uns sehr um defensive Stabilität und Abläufe gekümmert. Es wäre wichtig, wenn wir das jetzt noch mal auf den Platz bekommen«, so Rose. »Konstantes, gutes Verteidigen haben wir dieses Jahr zu selten hinbekommen und zu viele Gegentore gekriegt.«
Als Ursache nannte Rose »zwei Faktoren«: »Das eine ist das Inhaltliche. Das, was du als Plan hast, wie du verteidigen möchtest«. Diesbezüglich hat Rose auf eine vorwärtsorientierte Verteidigung gesetzt, was zu selten funktioniert hat. »Das andere ist das Gefühl, die Einstellung und die Haltung, die ich auch nach München angesprochen habe. Die Schärfe und der Fokus, den du immer brauchst, dein eigenes Tor unbedingt verteidigen zu wollen. Das haben wir dieses Jahr – beispielgebend Bayern und Hoffenheim – in zu vielen Phasen einfach nicht geschafft.«
»Das Thema Passivität nach Führungen ist der nächste Punkt«
Rose nahm sich dabei selbst nicht aus der Verantwortung. »Das haben wir alle zusammen – ich, die Jungs und das Trainerteam, nicht konstant genug hinbekommen. Die Gegentorquote ist für die Ziele, die wir haben, viel, viel zu hoch.« Bemerkenswert, dass Rose nicht mit der Kritik an der grundsätzlichen Haltung seiner Mannschaft hinter dem Berg hielt. »Zum Verteidigen gehört jeder Spieler, gemeinschaftlich als Mannschaft. Es geht darum, dass man die Bereitschaft hat, sich aber auch gegenseitig coacht, miteinander redet und sich in diese Situationen hinein pusht. Kommunikation ist auch ein großes Thema bei uns.«
»Das Thema Passivität nach Führungen ist der nächste Punkt«, so Rose weiter. »Wir haben es dieses Jahr immer wieder erlebt, dass wir in den Verwaltungsmodus geschaltet haben. Gar nicht bewusst, sondern wahrscheinlich einfach in der Hoffnung, dass wir die Spiele nach Hause bringen. Aber Hoffnung ist ein ganz schlechter Ratgeber auf dem Niveau im Fußball. Du musst den Glauben haben und möglicherweise aktiv auf das nächste Tor spielen, als nur zu hoffen, dass du hinten keinen bekommst.« Ungeklärt bleibt insoweit die Frage, ob Rose das nicht anders vermitteln konnte, oder aber ob der Mannschaft einfach die Qualität fehlt, diese Situationen anders zu lösen.
Der ‚Trostpreis‘ Conference League steht auf dem Spiel
Gegen den VfB werden Mannschaft und Trainerteam jedenfalls nochmal gefordert sein. Der ‚Trostpreis‘ Conference League steht auf dem Spiel – auch die theoretische Chance auf Platz 6 besteht noch. Max Eberl betonte, dass es in der Endabrechnung »zwei sehr gute Jahre« wären, wenn man mit Marco Rose und seinem Team zweimal Europa erreichen würde. Dass dies arg schöngefärbt ist, muss man Eberl zugestehen. Dennoch könnte es nicht schaden, wenn die beiden Jahre unter Marco Rose nicht völlig im Niemandsland der Tabelle enden.
von Marc Basten