Rainer Bonhof war auf 180, als er durch die Mixed-Zone in der Leipziger Arena ging. »So eine Scheiße, wie mit diesem Schiedsrichter, habe ich noch nie gesehen«, ereiferte sich der Vize-Präsident der Gladbacher. »Hatte der den Auftrag, das Spiel 2:2 ausgehen zu lassen? Der hat doch 34 Sachen gegen uns nicht gesehen«.
Die Aufregung des 67-Jährigen war auch ohne Grün-Weiß-Schwarze Vereinsbrille verständlich. Die pedantische Regelauslegung von Schiedsrichter Stieler sorgte dafür, dass das Topspiel am Samstagabend ab der 60. Minute unter komplett anderen Vorzeichen weiterlief.
Sportdirektor Max Eberl: »Die Entscheidung mit der Gelb-Roten Karte gegen Alassane Plea hat ein sehr gutes Bundesligaspiel kaputt gemacht. Das ist schade. Ab dieser Minute war es ein Spiel, bei dem man sagen konnte: Leider vorbei!«
»Es ging um diese zweimalige, abfällige Geste«
Was war genau passiert? Beim Stand von 2:1 für die Gäste aus Gladbach startete Alassane Plea über die linke Seite einen Konterangriff, wurde aber von seinem Gegenspieler gehindert. Der Franzose war der nicht unberechtigten Auffassung, es läge ein Foul vor, Schiedsrichter Tobias Stieler ließ jedoch weiterlaufen.
Das wiederum veranlasste Plea dazu, erbost in Richtung Stieler zu reklamieren. Der unterbrach alsdann das Spiel und zeigte dem Franzosen Gelb wegen Meckerns. Plea schaute fassungslos, drehte sich ab, trottete davon und winkte zweimal nach dem Motto ‚ach leck mich doch‘ ab. Das reichte Stieler aus, Plea mit Gelb-Rot vom Platz zu schicken.
»Er hat nichts in meine Richtung gesagt«, erklärte Stieler anschließend. »Es ging um diese zweimalige, abfällige Geste. Das ist eine Unsportlichkeit, eine Respektlosigkeit und so nicht mehr akzeptabel.« Stieler berief sich auch auf die »verschärfte Regelauslegung«, die es seit der Rückrunde gibt. »Da muss jetzt ein Umlernprozess stattfinden.«
Stieler wollte ein Exempel statuieren
Der Unparteiische hat also offensichtlich mit seiner pedantischen Entscheidung ein Exempel statuieren wollen. Dumm gelaufen für Plea und Borussia, denn rein regeltechnisch liegt Stieler richtig. Er kann sich sogar guten Gewissens hinstellen und als konsequenter Verfechter für den sauberen Fußball feiern lassen.
Natürlich hätte Stieler auch Fingerspitzengefühl beweisen und die Gesten des sich abwendenden Plea ignorieren können. Schließlich war das Spiel bis dahin zwar intensiv, aber doch recht sauber. Es hatte sich nichts hochgeschaukelt, weder Plea noch sonst ein Spieler hatte auch nur angedeutet, dass irgendwelche Grenzbereiche betreten werden könnten.
Nach dem Platzverweis ging es dann teilweise drunter und drüber - und Stieler verlor den Überblick. So liefen kurz darauf mehrere Gladbacher Ersatzspieler – allen voran Lars Stindl – meckernd und reklamierend aufs Spielfeld. Hier wäre eine Verwarnung zwingend notwendig gewesen.
Ein spielentscheidender Eingriff ohne Not
Stattdessen zeigte Stieler wenig später Marco Rose die Gelbe Karte. Embolo hatte – deutlich sichtbar für den Assistenten und den Vierten Offiziellen – den Ellenbogen ins Gesicht bekommen. Stieler pfiff nicht, Rose regte sich nachvollziehbar auf und sah – natürlich absolut regelkonform – Gelb.
Derweil ließ Stieler dem Leipziger Konrad Laimer auch das fünfte taktische Foul im Mittelfeld durchgehen, ohne eine überfällige persönliche Strafe in Form einer Gelben Karte auszusprechen. Eine klare Linie bei der Spielleitung sieht anders aus.
Dass Alassane Plea seiner Mannschaft einen Bärendienst erwiesen und Tobias Stieler sich regelkonform verhalten hat, steht fest. Dennoch hinterlässt es einen bitteren Beigeschmack, dass ein Schiedsrichter in einer wahrlich nicht unwichtigen Partie ohne Not spielentscheidend eingreift.
Manuel Gräfe hätte wahrscheinlich einmal mit den Augen gerollt
Ein Klasse-Schiedsrichter wie Manuel Gräfe hätte wahrscheinlich einmal mit den Augen in Richtung Plea gerollt und ihm klar gemacht, dass er sich vom Acker machen soll. Doch Gräfe pfiff an diesem Wochenende Hannover gegen Wehen Wiesbaden in der Zweiten Liga.
von Marc Basten