Noch im letzten Jahr wäre einem bei einem Blick auf den Aufstellungsbogen, wie er am Sonntag im Borussia-Park verteilt wurde, die Kinnlade runtergefallen. Raffael, Stindl und Plea - alle drei auf der Bank, aber alle fit. Da wäre die Sturmbesetzung mehr als nur problematisch geworden. Doch heute nimmt man das mit einem Schulterzucken zur Kenntnis und findet mit Christian Streich einen gegnerischen Trainer vor, der nach dem Spiel eingesteht: »Mönchengladbach hat eine brutale Qualität in der Offensive«.
Auch ohne den in die Jahre gekommenen Maestro Raffael, den umjubelten Siegtorschützen vom Donnerstag in der Europa League Lars Stindl sowie Alassane Plea, den Unterschiedsspieler der letzten Hinrunde, wirbelten die Fohlen die Freiburger durcheinander. Mit der unfassbaren Präsenz eines Marcus Thuram, der wie kein anderer Körperlichkeit und Technik miteinander vereint, dessen Aktionen in ihrer geradeaus orientierten Schlichtheit fast schon genial erscheinen - zumindest aber offensichtlich ultraschwer zu verteidigen sind für die Gegenspieler.
Herrmann spielte an der Seite der beiden Hünen Thuram und Embolo groß auf
Dazu Breel Embolo, der bei seinem ersten Startelfeinsatz nach überstandener Muskelverletzung glänzte. Er kanalisiert seine körperliche Wucht in ein berauschendes Tempo. Wenn er da mit Speed und vollem Risiko angerauscht kommt, müssen die Verteidiger Schwerstarbeit leisten. Und da Embolo keine Scheuklappen trägt, sondern im Gegenteil über ein sehr gutes Auge für die Mitspieler verfügt, ragte er gegen Freiburg nicht nur als Doppeltorschütze, sondern auch als Torvorbereiter und Doppelpass-Partner heraus.
An der Seite der beiden Hünen Thuram und Embolo spielte auch Patrick Herrmann groß auf. »Wir verstehen uns super da vorne«, strahlte Herrmann nach der Partie. »Gerade was die Laufwege angeht. Das kann gerne so weitergehen«. In der letzten Saison zweimal schon so gut wie aussortiert, legt Herrmann unter Marco Rose ein Comeback hin, das ihm nicht viele zugetraut haben. So nah, wie in diesen Tagen, ist Patrick Herrmann der Verfassung, die er vor seinen schweren Verletzungen hatte, nie gekommen. »Ich fühle mich fit«, sagt Herrmann, der zum vierten Mal in Folge in der Liga über die volle Distanz spielte. »Klar ist es anstrengend, so viel zu laufen - aber es macht auch Spaß.«
»Diesen Sieg wollten wir unbedingt«
Die geballte Offensivpower der Borussia war gegen Freiburg der Schlüssel. Doch die Basis bildete eine geschlossene Teamleistung, die gegen einen starken Gegner dringend notwendig war. »Von Anfang an waren wir aggressiv und griffig im Spiel«, sagte Stefan Lainer. »Diesen Sieg wollten wir unbedingt – ich denke, das hat man gemerkt.« »Die Jungs haben es richtig gut gegen den Ball gemacht und haben sich viele Großchancen erarbeitet«, lobte Marco Rose. »In einer für uns schwierigen Woche mit einem kräfteraubenden Spiel am Donnerstag war es eine klasse Leistung meiner Mannschaft.«
»In der Summe ist es ein mehr als verdienter Sieg für uns«, so Rose weiter. »Aber bei diesem Spielverlauf hat man gesehen, wie nah die Dinge im Fußball beieinander sein können.« Tatsächlich kam der SC Freiburg nicht nur nach dem 1:0 direkt wieder zurück, sondern er hatte auch das 3:3 auf dem Fuß, doch Bensebaini klärte auf der Linie. »Bei Standardsituationen und Flanken haben wir etwas zu viel zugelassen«, musste Yann Sommer zugeben. »Die beiden Gegentore sind ärgerlich, aber unter dem Strich war es ein verdienter Sieg, auch in der Höhe«, resümierte Stefan Lainer.
Jetzt kommen die Bayern - »Wir wollen Schritt für Schritt weitergehen«
Natürlich richtete sich noch am Sonntagnachmittag der Blick auf das nächste Wochenende. Die Bayern kommen zum Spitzenreiter nach Mönchengladbach. Mittlerweile im dritten Monat thronen die Borussen an der Tabellenspitze. »Über die Tabellenführung machen wir uns nicht viele Gedanken«, sagte Yann Sommer. »Das Spiel gegen die Bayern wird ein weiteres großes und wichtiges Spiel für uns und wir freuen uns darauf. Wir wollen Schritt für Schritt weitergehen.« Knapp eine Woche haben Marco Rose und sein Trainerteam nun Zeit, das Aufstellungspuzzle zu legen und den Matchplan zu erstellen. »Wir werden uns was einfallen lassen«, versprach Rose. In München wird man es vernommen haben.
von Marc Basten, Nadine Basten und Jan van Leeuwen