Als am Samstag die teils kuriosen Resultate aus der Bundesliga eingeordnet wurden und feststand, dass Borussia Mönchengladbach mit einem Heimsieg über Augsburg Tabellenführer werden könnte, war die Reaktion bei den meisten Gladbachfans gleich: Das geht ganz sicher in die Hose!
Und das nicht nur, weil Borussia seit Beginn der 80er Jahre quasi der ‚Großmeister im ‚Verkacken‘ solcher Spiele ist, sondern auch, weil die aktuelle Konstellation dafür sprach. Zwar gab es drei Bundesligasiege in Folge, dazwischen aber auch die Auftritte gegen Wolfsberg und Başakşehir in der Europa League. Mit den frischen Eindrücken aus Istanbul im Hinterkopf fiel es schwer, sich einen beschwingten Auftritt der Fohlenelf gegen Augsburg vorzustellen.
Schon gar nicht konnte man damit rechnen, dass die Gladbacher die Gäste förmlich überrollen würden und die Partie bereits nach 13 Minuten entschieden war. Nach den trägen Startphasen zuletzt gegen Wolfsberg und Düsseldorf hatten sich die Borussen vorgenommen, diesmal von Anfang an Gas zu geben. »Dass es so gut klappt, konnte man nicht erwarten«, sagte Christoph Kramer. »Da gehört dann natürlich auch ein bisschen Spielglück zu.«
Ganz sicher war der frühe Treffer von Denis Zakaria nach zwei Minuten das Signal, sämtliche Fesseln zu lösen. Daneben passte es für die Borussen, dass die Augsburger komplett auf dem falschen Fuß erwischt wurden. Dazu trug auch die taktische Ausrichtung mit dem 4-2-1-3 bei, die Marco Rose für diese Partie wählte. Der Schlüssel war einerseits der bärenstarke Bénes, der die noch in Istanbul so schmerzlich vermisste fußballerische Zielstrebigkeit ins Mittelfeld brachte. Zum anderen konnte Zakaria mit der Absicherung durch Kramer als zweiten Sechser wieder mehr anschieben, wogegen die Augsburger keine Mittel fanden.
»Wir haben das heute gut umgesetzt«, befand Tony Jantschke, der für Nico Elvedi in die Startelf gerückt war. »Mit unseren Außenbahnspielern haben wir Druck gemacht, die Sechser und Achter haben gut nach vorne geschoben. Klar war es auch ein bisschen Risiko, weil wir hinten Eins gegen Eins stehen. Aber damit haben wir Zeichen gesetzt und dann war sehr viel auf unserer Seite«. Nach dem Doppelpack von Herrmann begannen sich auch die größten Skeptiker im Borussia-Park mit dem Gedanken zu beschäftigen, dass es tatsächlich was werden könnte mit der Tabellenführung.
»Wir hatten hevorragende Pressingsituationen und ein super Gegenpressing und trotzdem haben wir mit Ruhe gespielt«, führte Christoph Kramer aus. »Ruhe heißt nicht langsam, sondern Ruhe heißt, dass wir kontrolliert gespielt haben. Dass wir von A nach B gespielt haben, ohne den Ball zu verlieren. In Istanbul waren wir da viel zu hektisch.« Doch diesmal lief die Maschinerie wie geschmiert. Kramer: »Wenn der Motor einmal an ist, dann ist er an«.
»In der ersten Halbzeit hat man das gesehen, wie es aussehen kann, wenn es alle gemeinsam machen. Da wollen wir hin«, sagte Tony Jantschke. »Es hat sehr viel funktioniert«, freute sich auch Sportdirektor Max Eberl. »Gegen den Ball waren wir unglaublich aktiv und aggressiv und nach vorne hatten wir die Ruhe, um die richtigen Entscheidungen zu fällen. WIr haben gute Bälle gespielt und man heute gemerkt, dass wir Lust hatten, Fußball zu spielen. Das 3:0 im Rücken hat dann natürlich auch einiges erleichtert.«
Augsburg korrigierte nach der Pause die Ausrichtung, war ingesamt präsenter als zuvor und setzte ein paar Nadelstiche. »Zwei-, dreimal haben wir uns etwas dämlich angestellt«, monierte Tony Jantschke. Das war angesichts des Zwischenstands von 4:0 nicht wirklich tragisch, wurde es aber nach hinten heraus doch. Sowohl Stephan Lainer als auch Matthias Ginter verletzten sich bei Defensivsprints mit anschließender Klärungsaktion. Lainer knickte um, Ginter kugelte sich die Schulter aus.
»Das trübt natürlich ein bisschen die Stimmung«, sagte Eberl. Gerade mit Hinblick auf das anstehende Mammutprogramm wären weitere langwierige Ausfälle ein Problem. »Jetzt kommen nach der Länderspielpause die richtigen Tests, wo man sehen kann, wo wir stehen«, so Eberl. »Das, was wir heute gezeigt haben, müssen wir nachhaltig auf den Platz bringen und dann haben wir auch vor Mannschaften wie Dortmund, Frankfurt oder Rom keine Angst.«
Doch zunächst steht das ‚International-Break‘ an – mit Borussia Mönchengladbach als Tabellenführer. »Mir bedeutet die Tabellenführung recht wenig«, sagte Tony Jantschke. »Nach dem 7. Spieltag ist noch nichts erledigt. Es ist eine lange Saison, in der noch viel passieren kann. Als Fan würde ich mir aber heute auch ein Bierchen schnappen, oder 5 - für jedes Tor eins. Aber wir wissen, dass wir einiges zu tun haben.«
von Marc Basten, Nadine Basten und Jan van Leeuwen