Es war ein hartes Stück Arbeit für die Gladbacher Borussen in Leverkusen. »Ein dreckiger Arbeitssieg«, umschrieb es Jonas Hofmann in den Katakomben der BayArena. »Wir waren heute wirklich am Anschlag. Ab der 50. Minute standen wir tief hinten drin und sind kaum noch rausgekommen. Dass wir hier die drei Punkte mitnehmen, haben wir unserer gemeinschaftlichen Abwehr zu verdanken. Es war kein schöner Fußball, aber das gehört einfach dazu.«
Entschuldigen mussten sich die Gladbacher für ihren Auftritt in Leverkusen freilich nicht. Schließlich war diesmal kein Raum und noch weniger Luft für fußballerische Leckerbissen vorhanden. »Das war das vierte Spiel im Dreitagesrhythmus - das geht eigentlich nicht«, stellte Marco Rose fest. Zumal bei den Borussen eine besondere Gemengelage vorherrscht: Wichtige Spieler fallen verletzt aus, mehrere kommen gerade erst frisch nach Zwangspausen zurück und andere mussten in den letzten Wochen nahezu durchpowern, weil nicht rotiert werden konnte. So war Roses vordringliche Aufgabe am Samstag, »elf gesunde Spieler zu finden.«
Alsdann ging es darum, die für das vorhandene Personal richtige Taktik gegen den Champions-League-Teilnehmer aus Leverkusen auszuknobeln. Rose entschied sich für die Ausrichtung, mit der man es am Mittwoch im Pokal in Dortmund versucht hatte. »Wir haben im 3-4-1-2 angefangen«, erläuterte der Coach. Dabei stand Rückkehrer Matthias Ginter als zentraler Mann in der Dreierkette. Nachdem die Borussen sich die Müdigkeit aus den Knochen geschüttelt hatten, glückte ihnen auch dank der passiven Leverkusener Verteidigungsarbeit der Führungstreffer durch Oscar Wendt. Doch Volland egalisierte relativ zeitig.
»Das Gegentor war eine klassische Fünferkettenproblematik«
»Das Gegentor war eine klassische Fünferkettenproblematik. Du hast viele Spieler auf einer Linie und irgendeiner hebt das Abseits auf«. Weil Leverkusen danach kurzzeitig Oberwasser bekam, griff das Trainierteam von außen regulierend ein. »Wir hatten keinen Zugriff mehr und deshalb gegen den Ball auf Raute umgestellt.« Die Außenspieler Wendt und Lainer zogen sich weiter zurück, Jantschke und Elvedi bildeten die Innenverteidigung und Ginter rückte vor. »Das war nicht so einfach für Matze heute«, sagte Rose. Denn bei eigenem Ballbesitz musste sich Ginter wieder zwischen die Innenverteidiger fallen lassen und es gab wie zuvor den Dreieraufbau.
Damit stabilisierten die Gladbacher das Gebilde, auch weil man durch die Neusortierung Kai Havertz nahezu aus dem Spiel nehmen konnte. Aus der wiederhergestellten Ordnung gelang der neuerliche Führungstreffer, wobei auch hier das Verhalten der Leverkusener Defensivspieler recht eigenartig anmutete. Dennoch benötigten die Borussen auch den Faktor Glück, als Ginter sich unmittelbar vor dem Pausenpfiff einen fatalen Fehler leistete und Alario die 100%ige Chance ungenutzt ließ.
Nach dem Seitenwechsel drängte Bayer auf Teufel komm raus. Zunächst verschafften sich die Borussen noch etwas Luft, Neuhaus hatte in der 56. Minute den dritten Treffer auf dem Fuß. Doch danach gab es so gut wie keine Entlastung mehr. »Es war ein großer Kräfteverschleiß erkennbar«, sagte Rose. Der Tank war leer und schnell wurde deutlich, dass alles auf eine Abwehrschlacht herauslaufen würde. Entsprechend reagierte auch das Trainerteam. Anders als in Dortmund, als man nach dem Führungstreffer weiter in der offensiven Grundordnung blieb, wurde das System diesmal angepasst. »Nach hinten heraus haben wir auf 5-4-1 umgestellt - einfach um das Ding zu Ende zu verteidigen«, erläuterte der Trainer.
»Vielleicht war es ein bisschen der Lerneffekt aus Dortmund«
»Vielleicht war es ein bisschen der Lerneffekt aus Dortmund«, so Rose weiter. »Dort wollten wir das Signal nicht aussenden, heute hatten wir gar keine andere Wahl. Jeder hat gesehen, dass wir nicht mehr in der Lage waren, zu entlasten. Es ist gut, dass wir das hinbekommen haben, weil es gibt uns Erinnerungswerte für das nächste Mal. Meine Jungs haben das unglaublich leidenschaftlich zu Ende verteidigt«.
So konnten sich die Gladbacher nach dem Schlusspfiff kollektiv auf die Schulter klopfen - alles richtig gemacht. »Wir wollten wieder wir sein«, sagte Rose. »Hier her fahren und versuchen, aktiv zu verteidigen so lange es geht. Die Jungs haben Bock darauf und natürlich helfen Ergebnisse dabei, dass sie erkennen, dass es funktioniert. Selbst bei der Niederlage in Dortmund haben sie gemerkt, dass alles lange aufgegangen ist. Aber es geht nicht nur um Ergebnisse, sondern auch um die Art und Weise, wie wir auftreten. Es ist für mich bezeichnend, dass wir jetzt vier Spiele über 120 Kilometer gelaufen sind und mittlerweile immer an die 200 Sprints haben. Wir investieren mehr, aber es hat niemand gemerkt, wie es zu diesem Sprung gekommen ist. Der war auf einmal da. Jetzt liefern wir das regelmäßig - da müssen wir dran bleiben.«
Neben dem Sieg der Leidenschaft in Leverkusen war die beste Nachricht, dass sich niemand neu ernsthaft verletzt hat und es bis zum nächsten Spiel nun eine fast luxuriös anmutende Zeitspanne von fünf Tagen gibt. »Die werden uns guttun«, sagte Rose. »Wir haben Ergebnisse geholt, sind ganz gut durchgekommen heute, also will ich nicht zu sehr jammern. Es war eine extreme Phase, aber die ist ja jetzt auch vorbei.«
von Marc Basten und Jan van Leeuwen