Es war ein schöner Sommerabend im Borussia-Park. Die Hütte war - bis auf den Gästebereich - voll, die Stimmung ausgezeichnet. Der Saisonstart der Fohlenelf ist gelungen, die Transferperiode wird allgemein als positiv bewertet oder sogar regelrecht gefeiert. Alle wollten weiter auf der Euphoriewelle reiten und es schien alles dafür bereitet. Doch die Borussen hatten die Rechnung ohne die Spielverderber aus Mainz gemacht - und ohne Schiedsrichter Deniz Aytekin.
Letzterer war vor mehr als zehn Jahren mal so etwas wie eine ‘Persona non grata’ in Mönchengladbach. 2011 brachte er die Borussen durch Fehlentscheidungen so gegen sich auf, dass die Vereinsvertreter öffentlich verlauten ließen, Aytekin für künftige Spiele abzulehnen. Tatsächlich pfiff Aytekin eine ganze Zeit keine Partien mehr mit Gladbacher Beteiligung. Ausschlaggebend war damals ein Auswärtsspiel der Gladbacher - in Mainz.
Die Kombination Aytekin - Mainz ist für Borussia alles andere als ideal
Nun hat sich Deniz Aytekin in den letzten elf Jahren zu einem der besten Schiedsrichter überhaupt gemausert und die alte Geschichte ist längst verdrängt, aber eben nicht vergessen. Und am Sonntagabend unterliefen ihm auch keine krassen Fehlentscheidungen, aber die Tatsache, dass er die Mainzer in der Anfangsphase ungeahndet heftig zutreten ließ, trug dazu bei, dass es ein sehr zerfahrenes Bundesligaspiel wurde. Definitiv ist die Kombination Mainz und Aytekin für Borussia nicht ideal. Doch der mangelhafte Schutz durch den Schiedsrichter war natürlich nicht der einzige Grund, warum die Borussen in der Startphase neben der Spur liefen.
»Wir sind echt scheiße reingekommen«, fand Christoph Kramer anschließend klare Worte. »Wenn Mainz Blut leckt und so bestätigt wird in ihrer forschen Herangehensweise und wir sie so einladen, dann musst du damit klarkommen, dass der Gegner Oberwasser hat«. Mainz war klar tonangebend und kam zu mehreren Abschlüssen. Auch wenn Daniel Farke später sagte, dass »sie uns auch nicht aus dem Stadion geschossen« haben, so hätten die Gäste eigentlich zwingend in Führung gehen müssen. Während Farke das Verhalten seiner Mannschaft mit einer Art von »Übermotivation« zu erklären versuchte, nannte Kramer die fehlende Intensität als Hauptgrund.
»Du musst erstmal dagegen ‘ankämpfen’, dass der Gegner dich mit einfachen Mitteln schlagen kann«
»Du musst dir die Dominanz, die wir ausstrahlen wollen und die wir auch schon ausgestrahlt haben, brutal erarbeiten. Du musst erstmal dagegen ‘ankämpfen’, dass der Gegner dich mit einfachen Mitteln schlagen kann. Das haben wir heute in den ersten Minuten ganz klar verpasst. Wir hatten keine Intensität in unserem Spiel und das ist ein ganz wichtiger Schlüssel, damit du dominant auftreten kannst. Du musst den Gegner erstmal in die Knie zwingen.«
»Das hat sich erstmal so zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten durchgezogen«, so Kramer weiter. »Danach haben wir Fuß gefasst«. Die Ballbesitzphasen häuften sich, Mainz zog sich weiter zurück und attackierte nicht mehr so früh und aggressiv. Borussia strahlte zwar auch weiterhin keine wirkliche Dominanz aus, gestaltete aber temporär mehrere schwungvolle Angriffe. »Wir hatten eine Reihe von richtig guten Torchancen, die wir leider nicht genutzt haben«.
Eine Viertelstunde des Horrors für Borussia
Allein der bislang so treffsichere Marcus Thuram hätte sein Torkonto (3) an diesem Abend verdoppeln können. Ein Lattenschuss, dazu die Mega-Chance im vergeblichen Zusammenspiel mit Neuhaus und mehrere Abschlüsse genau auf den Torwart - Thurams Chancenverwertung war zum Haare raufen. Zur Pause stand es torlos, worüber sich die Mainzer aufgrund der Überlegenheit in den ersten zwanzig Minuten, als auch die Borussen wegen der ausgelassenen klaren Chancen ärgern mussten.
Mit Wiederanpfiff folgte eine Viertelstunde, die man in Mönchengladbach durchaus als ‘Horror’ bezeichnen konnte. Angefangen mit der verletzungsbedingten Auswechslung von Elvedi, der nach dem ungeahndeten Tritt von Onisiwo in der Anfangsphase passen musste. Weiter ging es mit der Muskelverletzung von Plea, der nach sieben Minuten raus musste. Kurz darauf ‘umarmte’ Itakura als letzter Mann den durchgestarteten Onisiwo und sah Rot für die Notbremse. Eine sehr unglückliche Aktion, weil Onisiwo eigentlich klar im Abseits stand, aber der Ball unfreiwillig von Friedrich mit dem Rücken verlängert wurde und die Abseitsposition damit aufgehoben wurde.
»Das ist sehr ernüchternd«
Borussia hatte also zwei Spieler mit Verletzungen verloren und jetzt auch noch den Abwehrchef, der »gefühlt bislang der Spieler der Saison« (O-Ton Farke) war. Und als Sahnehäubchen obendrauf zirkelte Aaron den fälligen Freistoß aus knapp 30 Metern zur Mainzer Führung in den Knick. »Dass der Freistoß auch noch reingeht, war dann maximal beschissen«, fasste Kramer treffend zusammen. »Da sind dann alle Dinge, die schief laufen konnten, auch schief gelaufen«, sagte Farke.
Borussia musste also in Unterzahl einem Rückstand hinterherlaufen. Aus dieser Konstellation heraus machten es die Gladbacher dann mehr als ordentlich. Die Mannschaft blieb bei sich, die Körpersprache stimmte und die zu Beginn vermisste Intensität wurde jetzt auf den Platz gebracht. In Unterzahl wirkten die Borussen dominanter als vorher. Daniel Farke lobte seinen Mannen anschließend für die Moral und tatsächlich ist es als großer Fortschritt anzusehen, dass die Mannschaft auch nach heftigen Rückschlägen nicht auseinanderfällt. »Sie haben mit aller Macht versucht, zumindest noch den Ausgleich zu erzielen«, so Farke. »Und wir hatten ganz bestimmt mehr verdient als null Punkte.« Doch weder der Fußballgott - noch Deniz Aytekin und sein Team, die eine Tätlichkeit von Widmer gegen Bensebaini unbeachtet ließen - hatten an diesem Abend ein Einsehen. »Dann spielst du in Unterzahl richtig gut und belohnst dich leider nicht«, sagte Kramer. »Das ist sehr ernüchternd.«
von Redaktion - TORfabrik.de