Die Zeit von Matthias Ginter bei der Fohlenelf wird zum 30. Juni 2022 enden. Das gab der Nationalspieler am Dienstag über seinen Instagram-Account bekannt. Damit kam Ginter der Aufforderung von Sportdirektor Max Eberl nach, eine Entscheidung vor dem Start in die Rückrunde zu fällen und er hat sich in jeder Beziehung korrekt verhalten. Dass Ginter den Verein nach fünf Jahren verlassen will, ist nachvollziehbar und eine derart lange Verweildauer ist heutzutage keine Selbstverständlichkeit. Zumal die sportlichen und finanziellen Möglichkeiten bei Borussia Mönchengladbach begrenzt sind. Von daher kann man Matthias Ginter im Sommer ohne Groll verabschieden und angesichts seiner stets an den Tag gelegten professionellen Einstellung darf man sich sicher sein, dass er sich in der Rückrunde nicht hängen lassen wird.
Als Max Eberl Anfang Juli 2017 voller Stolz die Verpflichtung des damals 23-Jährigen Nationalspielers von Borussia Dortmund verkündete, teilte nicht jeder die Euphorie des Sportdirektors. Den Einwurf vom 05. Juli 2017 betitelten wir mit ‘Ist Ginter der Richtige?’. Damals hatte Borussia gerade den hochgeschätzten Andreas Christensen verloren und ein halbes Jahr zuvor mit der Winterverpflichtung Timothée ‚Kolo‘ Kolodziejczak in Sachen Innenverteidiger einen krassen Fehlgriff gelandet. Nun sollte also Matthias Ginter die Lösung sein, der zuvor beim BVB nicht über die Rolle eines polyvalenten ‘Springers’ hinausgekommen war. In Dortmund traute man Ginter die Position als fester Innenverteidiger nicht zu - ein Ömer Toprak erhielt den Vorzug. In Mönchengladbach erhielt Ginter dagegen die Zusage, dass man ihn als Innenverteidiger sieht und überwies die stattliche Ablöse von 17 Millionen nach Dortmund.
Aus dem ‘Anlageobjekt’ wird eine finanzielle Nullnummer
In Gladbach etablierte sich Matthias Ginter tatsächlich als Innenverteidiger. Als der damalige Trainer Dieter Hecking ihn kurzzeitig mal im defensiven Mittelfeld einsetzte, war Ginter alles andere als begeistert und vertrat seine Position intern mit Nachdruck - und spielte fortan ausschließlich in der Innenverteidigung. Wie von Max Eberl erhofft, nahm Ginter eine positive Entwicklung und wurde zu einem stabilen und soliden Basisspieler bei der Borussia. Ginter avancierte zum ‘Dauerbrenner’ und auf ihn war stets Verlass, aber ein herausragender Spieler wurde er nicht. Zwar hatte er im Laufe der Zeit deutlich an Profil gewonnen und mannschaftsintern auch ein gewisses Standing. Doch ein Führungsspieler, der seine Kollegen mitzieht und an dem sie sich aufrichten können, war und ist Ginter nicht. In den Phasen - wie der aktuellen - in der es der Mannschaft an Halt fehlt, bleibt Ginter einer unter vielen.
Deshalb ist es für Borussia sportlich auch kein Beinbruch, dass Matthias Ginter das jüngste Vertragsangebot ausgeschlagen hat und den Verein verlassen wird. Es ist durchaus als eine Chance für den Klub zu verstehen, sich in der Innenverteidigung neu aufzustellen. Ginter und Elvedi sind vom Typ her sehr ähnlich und es ist nun die Gelegenheit, Elvedi einen resoluten Abräumer an die Seite zu stellen. Wirklich kritisch ist einzig die Konstellation zu bewerten, dass Matthias Ginter die Borussia ablösefrei verlassen wird. Wir hatten damals geschrieben, dass Ginter auch ein ‘Anlageobjekt’ sei und die Chance, ihn am Tag X für eine stattliche Ablöse weiterzuverkaufen, gegeben sei. Dass daraus eine Nullnummer wird, ist sehr bitter. Auch wenn der vom Portal transermarkt.de geschätzte Marktwert von 24 Mio in diesen Zeiten wenig realistisch erscheint, so geht Borussia doch einiges an Geld durch die Lappen, das man dringend gebraucht hätte.
Den großen Schritt zur unersetzlichen Führungsfigur hat Ginter nicht gemacht
Die Frage aus dem Sommer 2017, ob Matthias Ginter der Richtige sei, kann nach viereinhalb Jahren durchaus mit ‘Ja’ beantwortet werden. Sportlich hat er das gehalten, was man erwarten durfte. Den ganz großen Schritt zur unersetzlichen Führungsfigur hat er zwar nicht gemacht, aber die Verlässlichkeit eines Matthias Ginter hat der Borussia insgesamt gutgetan. Nicht aufgegangen ist das Vorhaben, mit einem Weiterverkauf die seinerzeit an Dortmund gezahlte Ablöse zu deckeln und gleichzeitig frisches Geld zu generieren. Doch das liegt weniger an einer Fehleinschätzung oder falschen Planung, sondern vielmehr an den besonderen Umständen der letzten drei Transferperioden. Diese Kröte muss Borussia schlucken.
von Marc Basten