Einzelkritik: FC St. Pauli - Borussia Mönchengladbach 1:1 (0:1)

Zu wenig für hohe Ambitionen

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Borussias bester Spieler am Millerntor: Tiago Pereira Cardoso (Foto: Stuart Franklin - Getty Images)

Borussia Mönchengladbach holte beim FC St. Pauli einen Punkt, enttäuschte aber in nahezu allen Bereichen. Nur auf der Torhüterposition konnte Tiago Pereira Cardoso ein Zeichen setzen. Die Einzelkritik:

Tiago Pereira Cardoso: Bislang war der Youngster bei seinen Einsätzen im Tor der Borussia noch nicht so ‘richtig’ gefordert, was sich einen Tag vor seinem 19. Geburtstag im Stadion am Millerntor änderte. Schon in der Anfangsphase wurde er bei einem Flachschuss innerhalb des Sechzehners geprüft, ehe er wenige Sekunden später einen Distanzschuss stark um den Pfosten lenkte. Auch bei der Reisenchance von Saad aus ganz kurzer Distanz war Pereira Cardoso mit einem Reflex zur Stelle. Mehrere Halbfeldflanken pflückte er sicher herunter, mit Ball am Fuß zeigte er sich besonnen und ging kein unnötiges Risiko ein. Nach der Pause wehrte er einen tückischen Fernschuss gut ab und war auch danach stetig gefordert. Beim Ausgleichstreffer hatte er absolut keine Abwehrchance. Zwei kleinere Probleme mit dem Timing bei hohen Bällen blieben ohne Folgen. Insgesamt eine sehr ansprechende Leistung und auch ein Fingerzeig für die restlichen Saisonspiele. Note 2,0.

Joe Scally: Begann mit einer sauberen Brustrückgabe zu Pereira Cardoso und war auch danach hauptsächlich in der Defensive gebunden. Einmal klärte er wichtig per Kopf im Strafraum, als zwei Gegenspieler frei standen und zwei weitere Klärungsaktionen von Scally waren wertvoll. In einigen Duellen mit Saad sah Scally nicht ganz glücklich aus, grobe Fehler unterliefen ihm nicht. Seine wenigen Vorstöße blieben wirkungslos, wobei es Scally war, der die Ecke zum Führungstreffer herausholte. Im Aufbauspiel konnte der 22-Jährige keine Akzente setzen, leistete sich aber auch keine Schnitzer. Nach der Umstellung auf Dreierkette als rechter Schienenspieler ohne nennenswerten Einfluss. Note 4,0.

Ko Itakura: Stand von Beginn an mit den Kollegen in der Abwehrkette sehr tief und sah sich den anlaufenden Gegnern gegenüber. Itakura verteidigte mit der ihm eigenen Ruhe und Konsequenz. Essenziell war seine Klärungsaktion nach knapp zwanzig Minuten, als er einen Steilpass erlief und zum Einwurf klärte. Im Spielaufbau wurde der Japaner zu mehr langen Bällen genötigt als gewohnt, von denen weniger als die Hälfte einen Abnehmer fanden. Mit seiner schönen Kopfballbogenlampe sorgte Itakura für die Pausenführung. Im zweiten Durchgang verteidigte der 28-Jährige solide und hatte nur eine auffällig schlechte Aktion, als er gegen Guilavogui leichtfertig einen Zweikampf im Mittelfeld herschenkte. Nach einer Stunde spielte Itakura als zentraler Innenverteidiger in der Dreierkette und nach der Einwechslung von Friedrich in den letzten Minuten rückte er ins Mittelfeld. Note 3,0. 

Nico Elvedi: Startete mit einem Fehlpass im Aufbau, den er auf Kosten eines Einwurfs bereinigte. Danach war er viel beschäftigt und verzeichnete eine Vielzahl an Klärungsaktionen, wobei Elvedi in einigen Szenen nicht so spritzig und wachsam wirkte, wie man es in den vergangenen Monaten von ihm gewohnt war. Bei der Großchance für St. Pauli nach einer halben Stunde schoss er beim Klärungsversuch Reitz an, von dem der Ball zum frei stehenden Saad prallte. Bei der vermeintlichen Elfmetersituation hatte er Glück, dass der VAR-Eingriff dieses Mal sinnvoll war und der Schiedsrichter die Aktion im Nachhinein richtig bewertete. Allerdings entstand die Problematik erst dadurch, dass Elvedi im Strafraum ein technischer Fehler unterlief und er den Ball nicht kontrollieren konnte. Einen aufs Tor gezogenen Freistoß köpfte der 28-Jährige kurz nach der Pause aus der Gefahrenzone. Kurz darauf rückte er gegen Weißhaupt vor, ließ sich jedoch leicht ausspielen und kam dann nur schwerfällig hinterher. Als auf Dreierkette umgestellt wurde, übernahm er dort die Rolle des rechten Innenverteidigers. Note 3,5.

Lukas Ullrich: Fing mit zwei Fehlpässen an und auch im weiteren Verlauf wirkte er bei seinen Aktionen nicht ganz glücklich. Er hatte so seine Schwierigkeiten mit Weißhaupt, gegen den er mehrere Zweikämpfe verlor bzw. erst gar nicht in die Position kam, um ins direkte Duell zu gehen. Mit einer unpräzisen Kopfballrückgabe Richtung Pereira Cardoso verursachte Ullrich eine Ecke. Weder im Spielaufbau noch mit Vorstößen die Linie entlang konnte der 21-Jährige Akzente setzen. Kurz nach Wiederbeginn holte er sich nach einem verlorenen Duell gegen Weißhaupt und dem anschließenden Foul eine Gelbe Karte ab. Nach einer Stunde wurde er durch Netz abgelöst. Note 4,5. 

Julian Weigl: Der Kapitän war über die gesamte Partie im Arbeitseinsatz, wobei die spielerische Komponente deutlich zu kurz kam. Er versuchte zwar, etwas Struktur ins Aufbauspiel zu bringen, aber weder mit schnellem Kurzpassspiel auf der Sechser-Position noch mit gestaltenden Pässen, wenn er sich zwischen die Innenverteidiger fallen ließ, konnte Weigl überzeugen. Er arbeitete zwar strebsam gegen den Ball, doch einige Male reichte es angesichts der Aggressivität der Gegner nur zu unsauberen Klärungsaktionen. Wichtig war, dass er bei der Chance von Sinani kurz nach der Pause den Ball noch ans Außennetz abfälschen konnte. Die Umstellung auf Dreierkette im Verlauf der zweiten Halbzeit brachte in der Zentrale nicht die gewünschte Kompaktheit. Beim Ausgleich hatte Weigl zunächst einen anderen Spieler übernommen, sich nach halblinks aus dem Zentrum ziehen lassen und kam dann den Schritt zu spät, um den Schuss von Afolayan noch zu blocken. In der letzten Minute leitete ein Fehlpass des 29-Jährigen noch einen gefährlichen Angriff von St. Pauli ein. Note 4,0. 

Rocco Reitz: Kam nicht gut in die Partie, verursachte einen unnötigen Freistoß gegen Irvine und hatte Mühe, sich auf das intensive Pressing der Hamburger einzustellen. Als Borussia mal über mehrere Stationen kombinieren konnte, unterbrach Reitz die Passage mit einem unkonzentrierten Ballverlust. Bei der Großchance für St. Pauli nach einer halben Stunde war Reitz unfreiwilliger Assist-Geber, nachdem er von Elvedi angeschossen wurde. Vom Engagement her ist Reitz kein Vorwurf zu machen - er war der laufstärkste Borusse am Millerntor, aber die lange Verletzungspause machte sich in vielen Bereichen noch bemerkbar.  Klasse war nach der Pause die Flanke von rechts zur Kopfballchance von Plea. Bei den wenigen Angriffsversuchen zu Beginn der zweiten Halbzeit war der 22-Jährige der Antreiber. Im weiteren Verlauf war er nur noch mit Defensivarbeit beschäftigt. Note 4,0.

Franck Honorat: Fand sich sehr schnell in einer ungewollt defensiven Rolle als Rechtsverteidiger wieder, weil St. Pauli die Gladbacher so tief zurückdrängte, dass streckenweise schon in der ersten Halbzeit mit einer Fünferkette verteidigt wurde. Das führte sogar so weit, dass es Honorat war, der nach einem hohen Ball in die Tiefe im eigenen Strafraum als letzter Mann per Kopf klärte. Offensiv trat Honorat erstmals mit der abgefälschten Flanke in Erscheinung, die um ein Haar im Tor gelandet wäre. Die Halbfeldflanke zur Kopfballchance von Kleindienst war perfekt, leider passte der Abschluss nicht. Mit seiner gut geschlagenen Ecke auf Itakura sammelte Honorat einen weiteren Assist. In mehreren Situationen, u. a. bei dem schlechten Pass in Richtung Plea, der zu einem Gegenangriff von St. Pauli führte, war dem Franzosen der fehlende Rhythmus noch deutlich anzumerken. Nach einer Stunde war der Arbeitstag für den 28-Jährigen beendet. Note 4,0. 

Alassane Plea: Der Unterschiedsspieler der letzten beiden Partien war dieses Mal kein Faktor. Beim ersten Gladbacher Angriff wurde er durch eine starke Grätsche im Strafraum gestoppt (12.) und außer zwei schönen Zuspielen auf Hack war wenig von ihm zu sehen. Der 32-Jährige hatte die bekannten Probleme gegen aggressive Gegner und konnte sich nur selten durchsetzen. Dazu kamen einige leichte Ballverluste, die ihm ohne großen Gegnerdruck unterliefen. In der 52. Minute hatte er die erste und einzige Chance der Borussia nach der Pause - sein Kopfball nach Reitz-Flanke landete genau in den Armen des Torwarts. In der 75. Minute löste ihn Stöger ab. Note 4,5.

Robin Hack: War umtriebig wie gewohnt, eroberte auch zwei-, dreimal den Ball, agierte aber wenig effektiv. Auch ihm unterliefen mehrere Ballverluste und mancher Laufweg irritierte die Kollegen mehr als den Gegner. Nach einer guten Viertelstunde lief Hack nach einem Konter über links in den Strafraum. Dort wollte er durch zwei Gegenspieler hindurch, blieb aber hängen. Etwas später versuchte er es bei einem Konter mit einem unzureichenden Lupfer aus sehr weiter Distanz, als er eigentlich noch weiter aufs Tor hätte laufen können. Defensiv arbeitete der 26-Jährige wie gehabt gut mit, wobei er vor dem 1:1 zu spät erkannte, wie viel Raum Afolayan plötzlich hatte, sodass er nicht mehr eingreifen konnte. Vier Minuten vor Schluss räumte er das Feld für Friedrich. Note 4,0. 

Tim Kleindienst: Die Rückkehr des Stürmers sollte einen zusätzlichen Schub bringen, aber dem war nicht so. Kleindienst hing bei eigenem Ballbesitz entweder in der Luft, weil man gar nicht bis zu ihm kam, oder aber er konnte als Adressat langer Pässe kaum mal einen Ball festmachen. Der Nationalspieler hatte eine richtig gute Torchance, als er nach Honorat-Flanke in aussichtsreicher Position zum Kopfball kam, den Ball aber zwei Meter links am Tor vorbei setzte. Wie immer war der 29-Jährige viel unterwegs, auch wenn er im Verlauf der zweiten Halbzeit schon mal frustriert abwinkte. Ein überzogener Armeinsatz im Luftkampf am eigenen Strafraum gegen Irvine brachte St. Pauli einen Freistoß aus gefährlicher Distanz. Wichtig war Kleindienst bei gegnerischen Standards mit seiner Kopfballstärke. Vier Minuten vor dem Ende wurde er aufgrund leichter muskulärer Beschwerden von Ngoumou abgelöst. Note 4,5. 

Luca Netz (61. Minute für Ullrich): Der schon fast gewohnte Wechsel auf der linken Seite, der wie gehabt mit einem Systemwechsel verbunden war. Netz spielte als linker Schienenspieler, wobei er offensiv nur mit einer guten Hackenrückgabe auf Plea auffiel, aus der eine Halbchance resultierte. Ansonsten war Netz damit beschäftigt, seine Position zu suchen, die er gerade gegen den Ball nicht immer fand. Er sah Gelb für ein Foul im Mittelfeld und klärte zweimal nach gegnerischen Ecken am ersten Pfosten - einmal per Kopf, einmal per Fuß. Ohne Note. 

Fabio Chiarodia (61. Minute für Honorat): Rückte als linker Innenverteidiger in die neu gebildete Dreierkette. Er klärte kurz nach seiner Einwechslung einmal zur Ecke, dann blieb sein gefährlicher Fehlpass im Aufbau ohne Folgen. Bei der Chance von Metcalfe wurde Chiarodia ausgespielt, kurz darauf klärte er zwei Meter vor der Torlinie. Ohne Note. 

Kevin Stöger (75. Minute für Plea): Ein Wechsel, der leider gar keine Impulse mit sich brachte. Stöger wirkte bei seinen wenigen Ballaktionen unglücklich. Als er sich einmal stark aus dem eigenen Strafraum befreite und zwei Gegner ausspielte, folgte ein überhasteter Steilpass ohne Abnehmer. Daraus entstand St. Paulis Angriff zum Ausgleich, wo Stöger durch sein halbherziges Herausrücken aus dem Verbund Räume öffnete, die Weigl & Co. dann nicht mehr schließen konnten. Ohne Note. 

Nathan Ngoumou (86. Minute für Kleindienst): Ging in die Spitze, hatte aber nur noch drei Ballkontakte. Und alsdann großes Pech: Nach dem Spiel beim Auslaufen zog sich der Franzose einen Achillessehnenriss zu. Ohne Note. 

Marvin Friedrich (86. Minute für Hack): Rückte in die Dreierkette, während Itakura sich ins Mittelfeld orientierte. Friedrich war einmal am Ball, als er klären konnte. Ohne Note. 

 


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